Von Andreas Meier
«Jeder junge Thronfolger soll eines Tages das Erbe des Königs antreten.» Mit diesem Bild beschreibt Jan Colruyt seine frühere Lebenssituation. Das belgische Grossunternehmen Colruyt generiert jährlich einen Milliardenumsatz. Sein Grossvater hat die Firma gegründet und der Weg von Jan Colruyt soll nun auch in das eigene Familienunternehmen führen, so zumindest hat er sich das als junger Mann eingeprägt. Für ihn ist dieses Erbe ein hoher Erwartungsdruck, der ihm am Ende jegliche Freiheiten zu nehmen scheint.
Wattwil im Toggenburg: Etwas erhöht, mit Blick auf das Tal, liegt das Kloster St. Maria der Engel. Im Garten blüht es und die alten Klostermauern erwärmen sich langsam mit den ersten Sonnenstrahlen. Hier lebt Jan Colruyt seinen Lebenstraum. Vor zwei Jahren hat er eine «Fazenda da Esperança » mitbegründet. Diese Form der Lebensgemeinschaft ist vor rund 30 Jahren in Brasilien entstanden. Der gebürtige Belgier leitet nun zusammen mit dem Hofleiter den ersten Schweizer «Hof der Hoffnung». Das Ziel: Menschen in Not wieder auf die Beine zu helfen und sie in einem neuen Lebensabschnitt zu begleiten.
Auf der Reise
An die Steinmauern eines Klosters hat Jan Colruyt gute Erinnerungen. Etwa 9500 Kilometer westlich und gut 15 Jahre in der Zeitrechnung zurück, befindet er sich in Santa Barbara, Kalifornien. Denn nach vielen Jahren in der Arbeitswelt und nach dem Scheitern im Familienunternehmen geht er auf Weltreise. Er sucht nach dem Sinn des Lebens. Sechs Monate verbringt er in Santa Barbara. Zurückgezogen im Kloster liest er täglich in der Bibel und beginnt bei neuen Bekanntschaften mit Christen vermehrt Fragen über Gott zu stellen. Die Antworten sind für ihn frisch und anders als er sie aus seiner katholisch geprägten Kindheit kennt. Nebst den neuen Erfahrungen mit dem christlichen Glauben lernt er auch seine zukünftige Ehefrau kennen. Nach einiger Zeit beschliessen beide zurück nach Europa zu gehen und zu heiraten.
Ein Traum entsteht
Ihre Reise führt in die Schweiz, die Heimat der Ehefrau. Hier beginnt Jan Colruyt eine Pflegeausbildung und startet die Arbeit im Spital. Während dieser Zeit erhält er die Möglichkeit, einen Ausflug nach Berlin zu begleiten. Dort besucht Jan Colruyt eine «Fazenda da Esperança». Die Eindrücke lassen in ihm den Traum aufkommen, eine solche Lebensgemeinschaft in der Schweiz zu gründen. Doch Jan Colruyt arbeitet noch weitere vier Jahre als Pflegefachmann, bis ein ehemaliges Kloster die Räumlichkeiten für geeignete Nachfolgeprojekte ausschreibt. Die «Fazenda Wattwil» ist Gewinnerin dieser Ausschreibung und Jan Colruyt widmet sich heute ganz der neuen Aufgabe. Sein Einkommen bezieht er aus der Beteiligung am Familienunternehmen: «Würde es der Firma schlecht gehen, hätte ich keinen Lohn.» So hat das Erbe Colruyt doch noch einen direkten Einfluss auf sein Leben. Aber er ist losgelöst von den selbstauferlegten Erwartungen und sagt heute: «Ich habe die Freiheit, in einem Werk Gottes mitzuarbeiten.»
Doch Jan Colruyt arbeitet noch weitere vier Jahre als Pflegefachmann, bis ein ehemaliges Kloster die Räumlichkeiten für geeignete Nachfolgeprojekte ausschreibt. Die «Fazenda Wattwil» ist Gewinnerin dieser Ausschreibung und Jan Colruyt widmet sich heute ganz der neuen Aufgabe. Sein Einkommen bezieht er aus der Beteiligung am Familienunternehmen: «Würde es der Firma schlecht gehen, hätte ich keinen Lohn.» So hat das Erbe Colruyt doch noch einen direkten Einfluss auf sein Leben. Aber er ist losgelöst von den selbstauferlegten Erwartungen und sagt heute: «Ich habe die Freiheit, in einem Werk Gottes mitzuarbeiten.»