mit Ernst von Känel, Seelsorger
«Ich werde gesehen.» Das kann auf unterschiedliche Weise verstanden werden. Gesehen werden kann mit guten Gefühlen erfahren werden – kann aber auch ein schlechtes Gewissen hervorrufen, wenn man uns an einem Ort sieht, wo wir nicht hingehören. Gesehen werden hat mit Transparenz zu tun. Die Urangst gesehen zu werden geht immer auch mit der Scham einher, dass mich jemand wahrnimmt und «mich sieht», wer ich wirklich bin und ich mich nicht verbergen kann. «Du bist ein Gott, der mich sieht» – diese Aussage stammt nicht von einem Menschen, der speziell mit Gott unterwegs war. Diese Aussage stammt von Hagar, der Nebenfrau von Abraham und Dienerin von Sara – von ihr bekamen Abraham und Sara den Ismael – nein, von einer heidnischen Leihmutter würde man eine solche Aussage nicht erwarten. Manchmal sind es, wie in ihrem Fall die Lebensumstände, die aus ihr Gedanken und Worte herauspressen, mit denen sie sich Gott zumutet. Hagar wagt es, sich diesem Gott anzuvertrauen, sich ihm zu zeigen um dann von ihm gesehen zu werden. Einzig der liebevollen, seelsorgerlichen Zuwendung Gottes kann Hagar sich diesem Gott zeigen, ohne dass sie sich schämen muss. Lernen wir von Hagar, damit auch wir ihre Aussage mit Überzeugung nachsprechen können: «Du bist ein Gott, der mich sieht.»
Leitung: Ernst von Känel