Von Christoph Hickert
In unserem Kopf «rattert» es ununterbrochen. Oft merken wir gar nicht, was es in uns alles denkt. Unsere Gedanken rasen so schnell und unbewusst durch unsere Hirnwindungen, dass wir sie kaum wahrnehmen. Und genau deshalb haben sie so viel Macht über uns.
Wellen von Panik durchfluteten mich. Mein Mund war staubtrocken. Das einzige, was ich noch denken konnte, war: «Oh Gott, ich kann nicht mehr.» Ich hatte alles gegeben, aber auf einmal war mein Energietank leer. Nichts ging mehr. Mit viel Schwung und Elan hatte ich meine Aufgaben angepackt. Ich setzte mich voll ein, war Mitglied der Geschäftsleitung, führte Mitarbeiter, baute neue Bereiche auf und engagierte mich in diversen Projekten. Nun bin ich doch endlich jemand! Aber warum fühlt es sich dennoch so leer an?
Damals war mir noch nicht bewusst, dass mich alte Muster und Glaubenssätze ständig zu Höchstleistungen antrieben. «Sei etwas Besonderes, mach’s perfekt, hab alles im Griff, steh dabei niemandem auf die Füsse! – nur dann wirst du positiv wahrgenommen und geliebt!» Dies führte mich jedoch an den Rand meiner Kräfte.
Erst durch die Reflexion und Aufarbeitung meiner destruktiven Antreiber und Glaubenssätze konnte ich langsam aus diesem Hamsterrad aussteigen. Das war für mich ein Wendepunkt. Dabei lernte ich auch das Thema Selbstmitgefühl kennen, der liebenden Güte mir selbst gegenüber. Ich wusste zwar, dass Gott mich liebt. Aber zum ersten Mal empfand ich auch Mitgefühl mit dem Mann, der sich ständig pushte und dennoch gelitten hat.
Glaube nicht allem, was du denkst
Jeder spricht mit sich – manchmal laut, aber meist leise. Fetzen von Gedanken wechseln sich ab mit inneren Bildern. Diese wecken Gefühle und Gefühle sind der Motor unseres Handelns. Was wir denken, hat Macht! Jemand der z. B. gewohnheitsmässig denkt: «Ich müsste besser sein, ich sollte mehr schaffen, ich bin zu dumm oder ich kann das nicht, ich bin nicht gut genug», wird sich eher unsicher fühlen und Schwierigkeiten haben, Neues anzupacken. Je öfter wir einen Gedanken denken, desto stärker werden die neuronalen Verbindungen im Gehirn und desto überzeugter sind wir davon, dass diese Gedanken wahr sind. Wir verwechseln dann diesen Gedanken mit der Wirklichkeit.
Auf Selbstgespräche achten
Laut dem deutschen Psychologen Schoenaker führen wir jeden Tag rund 3000 bis 4000 kurze Selbstgespräche. Aber nur gerade 23 Prozent davon sind laut Studien positiv. Rund 77 Prozent unserer Gedanken sind eher negativ, abwertend, selbstkritisch und wirken mehrheitlich gegen uns als für uns. Dessen sind wir uns jedoch kaum bewusst und das hat Auswirkungen auf unser ganzes Leben. Schon König Salomo wusste darum: «Achte auf deine Gedanken und Gefühle, denn sie bestimmen dein ganzes Leben.» (Sprüche 4,23)
Selbstermutigung trainieren
Wir können heute damit beginnen, mehr auf unsere Selbstgespräche zu achten und unsere Gedanken zu steuern. Jesus fordert uns in Markus 1,15 auf: «Tut Busse und glaubt an das Evangelium.» Er verwendet darin das griechische Wort «metanoeo». Das bedeutet wörtlich, im Denken 180 Grad umzukehren. «Busse tun» wird diesemBegriff nicht gerecht. Er hat nichts mit Schuld oder Moral zu tun. «Metanoeo» meint lediglich, im Denken ganz umzukehren, alte Glaubenssätze und Überzeugungen über uns, Gott und das Leben loszulassen und sich dem Evangelium – der freisetzenden Botschaft – zuzuwenden und entsprechend zu handeln. Paulus nimmt dies im Römerbrief (Römer 12,2) auf und spricht von der Erneuerung des Denkens.
Das gibt Hoffnung. Wir müssen die alten Glaubenssätze nicht länger wiederkäuen. Wir könnten damit beginnen, unsere selbstabwertenden Gespräche mit ermutigenden zu ersetzen. Wir könnten uns zusprechen: «Ich bin Christoph. Ich mache ab und zu Fehler. Aber ich bin deswegen kein Fehler! Gott hat mich erwählt, er ist mit mir und für mich! Ja, ich bin zuweilen unvollkommen. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber ganz gleich, was ich heute schaffe oder was liegenbleibt, ich bin von Gott geliebt und gut genug.»
Vom Staatsoberhaupt lernen
König David kannte das auch, dass seine Seele in gewissen Situationen überfordert, ängstlich und unruhig war. Als Jugendlicher erlebte er Ablehnung und Kritik von seinen Brüdern. Auch sein Vater schien ihn nicht sonderlich zu fördern. Als der Prophet Samuel die Familie besuchte, wurde David schlicht vergessen. Der Vater hielt es nicht für nötig, ihn dabeizuhaben. Wie musste sich David dabei gefühlt haben? Er hätte sich sagen können: «Ich bin unwichtig, niemand fragt nach mir, ich zähle nicht.» Aber anstelle dessen dichtete er Lieder wie: «Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er führt mich auf rechter Strasse.» Er liess nicht zu, dass destruktive Glaubenssätze sein Herz besetzten, sondern er richtete seine Aufmerksamkeit auf das, was Gott über ihn sagte.
In einer ausweglosen Situation sehen wir, wie David sich selbst Mut zusprach: «David aber stärkte sich selbst in dem Herrn, seinem Gott.» (1. Samuel 30,6) Mich fasziniert diese Formulierung: Er stärkte sich selbst! Er hatte gelernt, seine Seele in schwierigen Momenten zu ermutigen, seine inneren Selbstgespräche zu steuern, sich in Gott zu bergen und seine Seele zu ermutigen und zu trösten, wie eine Mutter ihr Kind (Psalm 131). Versuchen Sie es. Es hat positive Auswirkungen!