Von Mathias Fontana
Danke sagen ist ganz einfach und es gibt täglich viele gute Gründe dafür. Trotzdem tun wir uns schwer mit dieser Dankbarkeit. Vor allem auch, wenn wir mitten in einer Krise stecken. Aber gerade dann täte uns Danken gut.
Meine Arbeit liegt gerade quasi flach, der Mailserver im Unternehmen funktioniert nicht. Und das am frühen Morgen, noch vor acht Uhr! «So kann ich nicht arbeiten!» ist mein erster Gedanke – und ich ärgere mich. Denn der Mail-Kontakt ist für meine Arbeit wichtig, E-Mail ist eines meiner Hauptwerkzeuge, das ich wie selbstverständlich nutze. Noch bis am Mittag soll der Server nicht erreichbar sein. Also das geht ja gar nicht! Aber dann kommt mir ein weiterer Gedanke: Ich könnte für diesen Umstand ja auch einfach danke sagen …
Danken ist nicht immer leicht …
Schweden im vergangenen Sommer: Meine Frau und ich sitzen am Abend draussen vor dem Wohnwagen. Blick auf den See, wunderbare Natur um uns herum. Wir lassen den Tag nochmals Revue passieren – und sind dankbar! Dankbar für die intensiven Erlebnisse, die wir als Familie in diesen Ferien beim Herumreisen erleben dürfen. Dankbar für das schöne und für schwedische Verhältnisse warme Wetter, für die tollen Plätze, die wir zusammen erkunden können und auch für die Ruhe, wenn die Jungs im Bett sind und wir als Ehepaar miteinander reden können. Wie leicht lässt es sich in solchen Situationen Danke sagen!
Doch Danken fällt mir nicht immer gleich leicht:Noch acht Monate vor diesem schönen Schwedenabenteuer steht meine Welt Kopf. Denn einige Wochen nach der Geburt unseres zweiten Sohnes wird klar, dass meine Frau krank ist. Diagnose: postnatale Depression. Eine schwere Zeit für uns als Familie und Paar beginnt. Arztbesuche, Medikamente und Therapie sind nötig. Es kostet viel Kraft und grossen Organisationsauwand, um diese Zeit durchzustehen. Denn oft scheint die Situation ausweglos, wir wissen nicht, wann meine Frau wieder gesund sein wird. Die Belastung ist gross und die Kraftreserven begrenzt.
In dieser Zeit weinen und klagen wir wohl mehr, als dass wir für diese Situation danken.
Danken muss man trainieren
Als Kind habe ich von meinen Eltern gelernt, das Danke sagen einfach dazugehört. Heute versuche ich, das meinen eigenen Kindern beizubringen. Das braucht etwas Übung und manchmal auch einen liebevollen Hinweis von uns Eltern, damit sie das Danken nicht vergessen.
«Dankt Gott, dem Vater, zu jederzeit, überall und für alles!»1 werde ich auch durch Paulus ermahnt. Und er sagt nicht: Danke Gott, wenn es dir gut geht, wenn du zufrieden bist mit dem, was du hast und wenn du gerade daran denkst. Nein: immer, überall und für alles. Das ist – wie bei meinen Kindern – eine Trainingssache.
Also danke ich Gott, obwohl mein Mail- Programm nicht funktioniert heute Morgen. Auch wenn ich mich darüber aufrege und nicht arbeiten kann, so wie ich will. Noch beim Danken gehen mir einige weitere Dinge auf, es ergibt sich eine neue Perspektive auf das vermeintliche Problem: Danke, dass sich bereits ein Techniker darum kümmert! Danke für den Freiraum, den ich so für andere Arbeiten erhalte – zum Beispiel, um diesen Text zu schreiben. Danke, dass ich überhaupt so gute Arbeitsbedingungen habe und ein Ausfall des Servers nur ganz selten vorkommt!
Danken auch in Krisenzeiten
Für solche «First World Problems», solche Wohlstandsprobleme auch mal zu danken – doch, das geht, das kann ich lernen. Aber Danke sagen für eine postnatale Depression? Danken für eine so schwere Zeit als Familie? Geht das überhaupt? Danke sagen für etwas, das man nicht mag, nicht will und sich schon gar nicht gewünscht hat – das ist doch heuchlerisch…
Nicht für die Umstände danken, sondern trotz diesen das Danken nicht vergessen! Ich kann Gott danken, dass er auch da ist, wenn es mir mies geht, dass er mir hilft und ich wachsen und dazulernen kann. Gott Danke sagen trotz Schicksalsschlägen und Verlusten, ist auf den ersten Blick schwierig bis unmöglich. Aber eigentlich wünscht sich Gott, dass wir ihm danken, er erwartet es geradezu von uns: «Dank ist das Opfer, das ich von dir erwarte. […] Wenn du keinen Ausweg mehr siehst, dann rufe mich zu Hilfe! Ich will dich retten, und du sollst mich preisen.»
Mir war in dieser Krisenzeit überhaupt nicht immer ums Danken zumute. Und trotzdem meine ich, dass Danken genau die richtige Reaktion ist, auch auf schmerzliche Erfahrungen. Denn das Danken verändert mein Denken, es verändert meine Sicht auf die Umstände.
Danken verändert unser Denken
Als ich Autofahren lernte, sagte mein Vater bei einer der ersten Fahrten zu mir: «Dort, wo du hinschaust, fährst du auch hin». Ich habe mir beim Autofahren also antrainiert, nicht auf den Strassengraben oder das Hindernis zu schauen, sondern auf die Strasse – dorthin, wo ich fahren kann. Ähnlich ist es mit dem Danken. Wenn ich Gott für alles, was mir passiert, danke, richte ich damit meinen Blick auf Gott. Ich werde mir so bewusst, dass Gott da ist und mich nicht im Stich lässt. Es kann passieren, was will, aber Gott wird mich damit nicht alleine lassen.
Die Herkunft von «danken» leitet sich aus dem Wortstamm von «denken» ab und bedeutete ursprünglich «jemanden in (seinen) Gedanken halten». Durch das Danken halte ich mir also etwas aktiv in Erinnerung. Auch der israelitische König David erlebte zahlreiche Tiefschläge, Verrat und Verlust. Immer wieder in seinen Gebeten klagt er Gott sein Leid und seine Schmerzen – um dann aber einige Sätze später Gott für all das Gute in seinem Leben zu danken. Er wusste, dass er sich immer wieder ans Danken erinnern muss und fordert sich selber auch dazu auf: «Ich will den Herrn loben und nie vergessen, wie viel Gutes er mir getan hat». Durch das Danken veränderte sich sein Blickwinkel, er schöpfte neuen Mut.
Mir ist es in der Zeit, als meine Frau krank war, ähnlich ergangen. Vom Klagen fand ich immer mal wieder ins Danken: Ich dankte für die schnelle Diagnose, für Unterstützung von allen Seiten, für die Möglichkeit des Klinikaufenthaltes, für die Unterstützung des Arbeitgebers, für die gute gesundheitliche Entwicklung meiner Frau. Manchmal übersahen wir diese Gründe und vergassen das Danken. Manchmal merkten wir aber auch, wie gut es tat, gerade in dieser Krise Gott zu danken. Denn durch das Danken veränderte sich mein Blickwinkel. Wie beim Autofahren schaute ich nicht mehr auf das Hindernis, sondern auf die Strasse. Ich schöpfte beim Danken neues Vertrauen in Gott. Weil mich das Danken an all die schweren Zeiten erinnerte, durch die mich Gott schon geführt hatte.
Gott danken als Geschenk an ihn
Heute geht es uns als Familie wieder gut. Meine Frau ist vollständig genesen und wir geniessen unsere Jungs und die Zeit als Familie sehr – zum Beispiel auch während den Ferien in Schweden. Ich weiss nicht, warum wir so eine Krisenzeit durchleben mussten, ich will es eigentlich auch gar nicht wissen. Was bleibt, ist eine grosse Dankbarkeit gegenüber Gott, denn er hat uns immer unterstützt, wir mussten das nicht selber durchstehen. Dadurch ist mein Vertrauen in ihn noch mehr gewachsen. Ich weiss, dass er auch in zukünftigen Krisen – und die werden früher oder später kommen – da ist und mich trägt.
Dank ist eigentlich auch das einzige, was ich Gott für seine Hilfe zurückgeben kann. All die Dinge, die Gott für mich macht und mir schenkt, kann ich nicht bezahlen. Es gibt keine Möglichkeit, diese Geschenke auszugleichen:
«Gott, den wir den Geber alles Guten nennen, können wir keine Gegengeschenke machen. Aber wir können etwas, was Gott selber nicht kann: Wir können ihm danken. Dank und Lob sind das einzige, was wir wirklich Gott schenken können. Und damit werden für uns die Selbstverständlichkeiten unserer Welt zu besonderen Dingen in unserem Leben, zu wirklich göttlichen Geschenken.»
Das passt total zu Ostern. Wir erinnern uns bei diesem Fest daran, dass Jesus für unsere Fehler bezahlt hat. Gott machte uns damit ein riesiges Geschenk, er gab sein Liebstes, seinen Sohn und «verschenkte » ihn, damit wir einen Vorteil daraus haben. Alles, was wir ihm dafür zurückgeben können, ist Dank. Es ist das grösste Geschenk, das wir Gott machen können: Ihm immer, überall und für alles zu danken.
Übrigens: Der Mailserver funktionierte wieder, noch bevor ich diesen Text ganz fertig schreiben konnte. Schon vor dem Mittag lief alles wieder wie selbstverständlich.
Danke, Gott!