«Weshalb setzen Menschen Kinder in die Welt, wenn sie gar nicht für sie sorgen wollen?» Diese Frage stellt sich Annie B.* immer wieder. Sie könne sich nicht erinnern, wirkliche Elternliebe erfahren zu haben, sagt sie. Dafür wusste sie oft nicht, weshalb sie ohne ersichtlichen Grund immer wieder geschlagen wurde.
Das erste schlimme Erlebnis, an das sie sich erinnern kann, spielte sich in einem Waldstück ab. Weil sie im Auto nicht aufhört zu plaudern, verlangt ihre Mutter vom Vater sofort anzuhalten und stellt sie vor die Tür. Die Eltern fahren davon. Annie ist damals gerade mal vier Jahre alt. Irgendwann tauchen die Eltern wieder auf. Ihre Mutter zieht sie ins Auto und verpasst ihr eine Ohrfeige. In der Familie wird ständig gebrüllt, die Streitereien dauern oft stundenlang. Gegen aussen spielen die Eltern heile Welt vor. Habe sie ihre Mutter nach der Schule nicht wunschgemäss gegrüsst, musste sie ohne Abendessen ins Bett, oder wurde von ihr geschlagen. Später sucht sie als junge Frau Zuflucht in einer Jugendauffangstation und hat nur noch ein Ziel: «Weg von Zuhause.»
Lea F.* lebt im Strudel der Gewalt. Ihr Ehemann schlägt unerwartet und ohne ersichtlichen Grund zu. Zur Versöhnung kauft er ihr Geschenke, die das Familienbudget übersteigen. Dieses Auf und Ab macht ihr Leben unerträglich. Lange Zeit verheimlicht Lea F. die Schattenseiten ihrer Ehe. Als ihr Mann sie vor den Augen der gemeinsamen Kinder zu schlagen beginnt, will sie sich von ihm trennen.