Wir Menschen brauchen Gemeinschaft mit anderen, sonst würden wir vereinsamen. Gleichzeitig sind Zeiten der Einsamkeit auch ein Schatz, ist die psychosoziale Beraterin Bea Grimm überzeugt. Sie verweist als Beispiel auf die Reportage über eine Klosterfrau, welche mit einem Hund allein in einer Hütte im Wald lebt. «Sehr beeindruckend, wie sie ihr gewähltes Alleinsein beschreibt.»
Wenn wir selbst zum Klangkörper werden
Die Frage ist, allein sein definiert wird. «Man hat die Gesellschaft von sich selbst. Stille bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Geräuschen, sondern hat auch eine körperliche Komponente. Wenn alles, was aussen ist, reduziert wird, werden wir selbst zum Klangkörper.» Wir hören dann, wie wir atmen, unser Herz schlägt, der Magen knurrt, ein Gelenk knackt. «Wenn es aussen ruhig ist, ist es einfacher, um sich wirklich bewusst zu werden, was für Gefühle und was für Gedanken zu diesen Gefühlen da sind.»
Grimm hat das Alleinsein für sich entdeckt, nachdem ihre Kinder ausgezogen waren. Sie erzählt, sie hätte vorher ein sehr bewegtes und dichtes Leben gehabt. So entstand der Wunsch, auch einmal allein zu sein und sich um nichts kümmern zu müssen.
Allein sein als Genuss
Heute baut sie die Zeiten der Stille und des Alleinseins in ihren Alltag ein. War es zu Beginn am Morgen noch eine Viertelstunde, ist es heute mehr. Sie steht dafür extra früher auf, auch wenn sie kein Morgenmensch ist. «Jetzt stehe ich eine Stunde vorher auf, weil ich es brauche. Ich brauche die Momente auf dem Sofa, in denen ich nichts mache.»
Sie fühlt sich in diesen Zeiten der Stille überhaupt nicht einsam: Es sei für sie ein Genuss. Und es sei auch nicht still, denn es tauchen ja immer wieder Gedanken auf: «Von den oberflächlichsten Dingen bis zu existenziellen Fragen. Wild, durcheinander, überhaupt nicht sortiert.»
Bea Grimm hat so Zeit, um mit ihren Gefühlen in einen Dialog zu kommen. Und damit sie nicht abgelenkt wird, um die Uhrzeit zu sehen, stellt sie einen Wecker.