Wir machen uns jeden Tag rund 60 000 Gedanken. Das sind jährlich rund 25 Millionen Gedanken, die uns durch den Kopf schwirren. Woher kommen sie alle?
«Was uns als Menschen unterscheidet, auch von den Tieren: Wir haben ein grösseres Gehirn und die Sprache», hält Psychotherapeutin Julia Wegmann fest. «Gedanken sind unsere innere Sprache. Wir können Dinge benennen. Damit sind sie dann auch in unserem Bewusstsein. Unser Gehirn produziert Gedanken, auch wenn wir in Ruhe sind.»
Vom Philosophen René Descartes stammt der berühmte Satz «Ich denke, also bin ich». Können wir denn überhaupt nichts denken? Das zu lernen sei eine hohe Kunst, so Wegmann. Wege dazu sind Meditation und Achtsamkeit.
Viele Gedanken sind im Unterbewusstsein, wo sie uns nicht zugänglich sind. Sie kommen und gehen und beeinflussen, was wir fühlen und wie wir uns verhalten. Daum haben Gedanken so viel Macht. Vieles in uns passiert automatisch und schnell. Wir merken dies allerdings erst, wenn wir ganz bewusst auf unsere Gedanken fokussieren.
Wegmann stellt in der Therapie ihren Patienten immer wieder ganz bewusst Fragen, beispielsweise «Was haben Sie denn in dem Moment gedacht?» Gewisse Dinge werden uns erst bewusst, wenn wir einen bewussten Gedanken formulieren können.
Von unseren 60 000 Gedanken am Tag sind nur 3 Prozent positiv, 25 Prozent negativ und der Rest neutral. Das ist darauf zurückzuführen, dass unser Gehirn seine Aufmerksamkeit auf potenzielle Gefahren richtet. Und je nach Umgebung ist es durchaus relevanter, in gewissen Bereichen besser aufzupassen.
Bei jedem Gedanken werden im Gehirn Nervenenden verknüpft. Wegmann erklärt: «Das ist, wie wenn ich über eine Wiese laufe. Am Anfang ist das Gras noch hoch. Je häufiger ich über die gleiche Stelle laufe, desto fester entsteht ein Trampelpfad. Wenn ich dann jahrelang immer den gleichen Weg nehme, dann habe ich irgendwann einen breiten Weg. So ist das auch im Gehirn. Wenn ich einen Gedanken denke, ist der Gedanke im Gehirn erst einmal ein elektrischer Impuls, wird dann in einen chemischen Prozess umgewandelt und es entsteht eine Verknüpfung.»