Mathias Fontana im Interview mit Simon Brechbühl
Trotz der «Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte» der Vereinten Nationen, welche die Freiheit für jeden Menschen sicherstellen soll, ist diese bei weitem nicht einfach gegeben. In den letzten Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden wurde immer wieder um die Freiheit gerungen. Auch heute ist der Einsatz für Freiheit noch notwendig, sagt Simon Brechbühl, Leiter der Menschenrechtsorganisation CSI-Schweiz im Interview.
Wie steht es um die Freiheit heute im Jahr 2023?
Wenn wir uns über Freiheit unterhalten, müssen wir uns zuerst bewusstmachen, was unsere Freiheit ausmacht. Es ist nämlich unsere persönliche Freiheit, wie sie auch in der Schweizer Bundesverfassung festgeschrieben ist. Diese Freiheit beinhaltet das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Dabei zentral ist die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit gemäss Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie zu haben, ist ein Privileg, denn weltweit betrachtet ist diese Errungenschaft in der Realität die Ausnahme. Drei Viertel aller Menschen leben in einem Land, wo die Religions- und Weltanschauungsfreiheit eingeschränkt ist.
Sind die Menschen heute freier als vor 20, 50, 100 oder 1000 Jahren?
Eine Antwort ist vielschichtig. Ein grosser Teil der Weltbevölkerung geniesst heute Freiheiten, die vor 100 Jahren undenkbar waren. Dazu gehört etwa die Reisefreiheit, der unmittelbare Zugang zu Information oder – wie schon erwähnt – die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Aber eben, es gibt viele Menschen, die von dieser Entwicklung nicht profitieren. Wir müssen uns fragen: Was macht wirklich frei? Die individuelle Freiheit in Ehren, aber dort, wo diese dominiert – also vornehmlich im Westen – führt sie uns inzwischen in eine post-christliche Welt mit allen Folgen für das Zusammenleben. Freiheit aus biblisch-christlicher Perspektive ist mehr als unsere säkulare, individualisierte und oftmals egozentrierte Freiheit. Nur die Wahrheit macht uns frei, sagt Jesus Christus (vgl. Johannes 8,32). Diese Botschaft ist hoffnungsvoll, gerade auch für diejenigen, denen die persönliche Freiheit verwehrt wird.
Warum ist das Thema Freiheit auch heute noch wichtig, wenn doch ein grosser Teil der Menschen mehr Freiheiten geniesst als noch vor wenigen Jahrzehnten?
Weil diese Freiheit in den letzten Jahren und Jahrzehnten errungen und erkämpft wurde und alles andere als selbstverständlich ist. Verschiedene Freiheitsindizes zeigen gut auf, wie dringlich und relevant dieses Thema ist – z. B. die «Rangliste der Pressefreiheit» der Bericht «Freiheit in der Welt» oder der «World Slavery Index». Diese Freiheit wird ständig bedroht und muss darum geschützt werden. Als Menschen mit viel persönlichen Freiheiten ist es daher in unserer Verantwortung, uns für Menschen, die unterdrückt werden oder in Gefangenschaft leben, einzusetzen und für ihre Freiheit einzustehen.
Wer ist nicht frei? Welche Menschen sind hauptsächlich betroffen und wie äussert sich diese «Unfreiheit»?
Menschen, die aufgrund von Kriegen und Katastrophen ihre Existenz verloren haben und auf der Flucht sind. Ihre persönliche Freiheit ist in vielerlei Hinsicht eingeschränkt. Oder Menschen, die unter totalitären Regimes leben, die ihre Bewegungs-, Glaubens- und Meinungsäusserungsfreiheit einschränken. Das Gegenteil von Freiheit ist Gefangenschaft. Ich denke da an die 120 000 Karabach-Armenier, die seit Mitte Dezember 2022 in ihrer Heimat Berg-Karabach eingesperrt sind und weder ein- noch ausreisen können. Es ist ihnen nicht mehr möglich, ihre Liebsten in Armenien zu besuchen, weil Aserbaidschan die einzige Zufahrtsstrasse nach Berg-Karabach blockiert. Ich denke auch an Frauen in Indien oder Bangladesch, die dem Menschenhandel zum Opfer fallen und zwangsprostituiert werden, oder an Mädchen in Pakistan, die entführt, zwangsverheiratet und zwangsislamisiert werden. Ich denke an Arbeitssklaven in pakistanischen Ziegeleifabriken, die mitsamt ihren Kindern Tag für Tag von Hand Ziegel herstellen und keine Perspektive haben, oder an Südsudanesen, die vor vielen Jahren von arabischen Milizen in den Sudan entführt wurden und bis heute von Grossgrundbesitzern als Sklaven gehalten werden.
Was ist zu tun? Wie kann sich jeder persönlich für Freiheit einsetzen?
ndem Sie zum Beispiel Initiativen und Projekte unterstützen und bekannt machen, die sich für Freiheit einsetzen. Sei es in finanzieller Hinsicht oder durch das Unterschreiben von Ermutigungskarten für Betroffene. Oder indem Sie sich auf politischer Ebene engagieren, z. B. durch Protestbriefe an Regierungen, die Sensibilisierung und Mobilisierung von Politikern, die Organisation und den Besuch von Podiumsdiskussionen. Vielleicht haben Sie die Möglichkeit, auf die Medien Einfluss zu nehmen, indem Sie dem Anliegen zu einer Plattform verhelfen und die Betroffenen eine Stimme erhalten. Vielleicht können Sie dazu verhelfen, dass Glaubensverfolgte – und damit verbunden das Gebet für Christen weltweit – eine höhere Priorität in Ihrer Kirchgemeinde erhalten.
Als CSI setzen wir uns mit unserer Arbeit für Religionsfreiheit und Menschenwürde ein – zum Beispiel mit einer breit angelegten Gebetsinitiative, Informationsveranstaltungen und Vorträgen oder der jährlichen CSI-Mahnwache am 13. Dezember.