Innereien sind auf dem Speiseplan vieler Menschen nicht sonderlich beliebt. Bei Gott stehen sie jedoch ganz oben auf der Liste – wenn auch nicht zum Essen.
«Gott, der du Herzen und Nieren prüfst!» Diese Anrede des Höchsten findet sich gleich fünfmal in der Bibel – zweimal in den Psalmen und dreimal bei Jeremia – und ist ein weiteres Beispiel dafür, wie dieses Buch unsere Sprache geprägt hat. Wer etwas auf Herz und Nieren prüft, geht einer Sache auf den Grund, dringt in ihren Kern. Er lässt sich (hoffentlich) nicht von einer glänzenden Oberfläche blenden oder durch eine Manipulationssoftware täuschen, die im Prüfungsmodus etwas vorgibt, das sie im richtigen Leben nicht hält.
Für den Hebräer, aus dessen Sprache dieses Sprichwort stammt, waren Herz und Nieren Sinnbilder für die Persönlichkeit, das Innenleben, den Charakter eines Menschen. Während das Herz als Sitz des Willens, des Verstandes und der Emotionen galt (da wurde nicht so stark zwischen Kopf und Herz unterschieden wie heute), standen die Nieren unter anderem für das Gewissen, welches zwischen Recht und Unrecht unterschied. So klar trennbar waren Herz und Nieren jedoch nicht. Vielmehr war ihnen gemeinsam, dass sie sich im Inneren des Körpers befanden und sich deshalb darin das Wesentliche einer Person abspielte, während einem die Organe an der Oberfläche an der Nase herumführen konnten. «Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz», wird Samuel ernüchternd mitgeteilt (1. Samuel 16,7), und Jeremia beklagt sich, dass Gott bei manchen Menschen «nahe bei ihrem Mund, doch fern von ihren Nieren» sei (Jeremia 17,10). Ohren und Augen können sich mächtig irren, wenn sie von beeindruckenden Worten und herrlichem Körperbau auf die Persönlichkeit rückschliessen. Herz und Nieren hingegen zeigen, was zum Kern, zum Wesen einer Sache gehört. Wer sie prüft, erfährt, ob Sein und Schein übereinstimmen.
Nicht nur auf der Speisekarte, auch im biblischen Sinn der Persönlichkeit scheinen mir die inneren Werte zurzeit stark unterbewertet. Die Herzensprüfung fällt dem Trainieren des Sixpacks zum Opfer. Wegen dem Termin für die Brustvergrösserung bleibt für die Nierendurchleuchtung keine Zeit. Und ganz ehrlich, es ist ja auch viel komplizierter, Herz und Nieren in Form zu halten, als das zu pflegen, was Ohren und Augen zum Applaudieren bringt. Ich meine, wer schaut schon gerne in die Abgründe des eigenen Herzens! Nicht zuletzt deshalb wandten sich die Menschen der Bibel damit an Gott: «Prüf mich auf Herz und Nieren! Schau, wie’s wirklich um mich steht, denn wenn irgendjemand allfällige Herz- und Nierenschäden reparieren kann, dann du!»