«Stell dein Licht nicht unter den Scheffel!» Wem das gesagt wird, dem wird unterstellt, er halte mit seinem Können unnötig zurück. Bei der biblischen Wurzel dieses Sprichworts geht es jedoch um mehr als um falsche Bescheidenheit.
Kurz nach dem Einstieg in die «Bergpredigt» (Matthäus 5-7) spricht Jesus seinen Zuhörern mutig zu: «Ihr seid das Licht der Welt!», und weil das Licht naturgemäss dazu da ist, Helligkeit zu spenden, fügt er an: «Man zündet auch kein Licht an und stellt es unter einen Modios.» Der Modios war ein damals übliches Messgefäss von knapp 9 Litern. Als Luther vor 500 Jahren die Bibel übersetzte, wusste das jedoch keiner mehr, und so wählte er ein Gefäss aus seiner Zeit: den Scheffel, der je nach Region zwischen 17 und 310 Litern umfasste (so dass, wer sein Geld mit so grossen Gefässen mass, Geld «scheffelte »). Wie so oft haben Luthers Formulierungen den Volksmund stark geprägt, so dass man auch heute noch vom «Licht unter dem Scheffel» spricht, selbst wenn dieser längst internationalen Masseinheiten weichen musste.
Die Stossrichtung des Bilds vom «Licht unter den Scheffel» wird in der Aufforderung am Schluss des Abschnitts klar: «Die Menschen sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.» Das Licht sind somit nicht meine Talente, die ich der Welt vorführe, sondern meine «guten Taten». Dabei geht es weniger um die Frage, ob Gottes Willen in meinem Handeln seinen Niederschlag findet. Sie zieht sich als Refrain durch die ganze Bergpredigt und krönt auch ihren Abschluss: «An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen!» Nicht am Reden, am Talent, am Bühnenauftritt, sondern an meinem liebevollen oder lieblosen Tun wird das Wesentliche sichtbar. Darum: Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, sondern zeig öffentlich, wie dein Glaube dein Handeln prägt!
Doch fügt Jesus sofort ein Aber an: «Wenn du den Armen hilfst, posaune es nicht aus, um von den Leuten geehrt zu werden, sondern tu es im Verborgenen! » Man stutzt: Was ist denn der Unterschied zwischen «Handeln im Verborgenen» und «sein Licht unter den Scheffel stellen»? Zumindest ein Kriterium gibt uns Jesus: Wir sollen unser Handeln «leuchten lassen», damit der Vater im Himmel dafür geehrt wird. Wir sollen sie aber nicht zur Schau stellen, um selbst dafür geehrt zu werden. Zweimal geht es um Ehre. Die Sache mit dem Scheffel ist somit eine Frage der Ehre: Geht es mir um die Ehre des Vaters im Himmel oder um meine eigene? Diese Frage zwischen Scheffel und Showbühne geht tief ins eigene Herz und kann letztlich nur von uns selbst beantwortet werden.