In den ersten drei Bitten des Vaterunser geht es ausschliesslich um Gott: Gottes Name werde geheiligt, sein Reich möge kommen, sein Wille soll geschehen. In diesen Bitten wird sichtbar, wie sehr Jesus in seiner Lehre im Alten Testament verwurzelt war. Denn diese erinnern unweigerlich an den Anfang der Zehn Gebote, in denen es heisst: «Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben». «Gott zuerst!», könnte man sagen. Jemand bemerkte dazu: «Was für ein egoistischer Gott muss das sein, bei dem sich alles um ihn selbst dreht.»
Ist Gott also ein eitler Egoist? Mitnichten! Er hat immer das Wohl der Menschen und seiner Schöpfung im Sinn. Da ticken die scheinbar Mächtigen dieser Welt ganz anders. Sie erliegen oft der Versuchung, sich selbst als Gott zu gebärden und zu verlangen, dass ihr Name geheiligt wird. So mancher Landesfürst tut alles, damit «sein Reich» nach seinem Willen gestaltet wird. Die Folgen sind schrecklich. Dies zeigen die Geschichtsbücher genauso wie die vielen aktuellen Ereignisse, die täglich in den Nachrichten zu hören sind. Unglaublich viel Elend entsteht auf unserem Planeten, weil so oft nach dem Motto «Ich zuerst!» gelebt wird. Im Grossen, wie im Kleinen. Dieses «Ich» kommt zwar im Vaterunser auch vor, allerdings immer in Verbindung mit den Mitmenschen. Das zeigt auch die nächste Bitte des Gebets.
Die einen fressen, die andern hungern
«Unser Vater im Himmel. Unser täglich Brot gib uns heute.» Das «Unser» ist entscheidend. Und genau um dieses «Unser» gab es bereits in der frühchristlichen Kirche Streit! Es war in der Gemeinde in Korinth üblich, dass man das Abendmahl im Zusammenhang mit einem Nachtessen einnahm. Die Begüterten und freien Bürger brachten das Essen mit. Sie fingen an zu essen und zu trinken. Einige betranken sich sogar. Erst Stunden später kamen dann auch die Arbeiter und Sklaven zum Essen. Sie waren hungrig, aber die Tische waren leer. Während die einen lallend das Abendmahl einnahmen, knurrten bei den andern die Mägen! Paulus intervenierte scharf. Für ihn war ein solches Verhalten nicht tolerierbar.
Doch mit dem «Unser» sind nicht nur Gemeindemitglieder gemeint, sondern alle Menschen. «Also hat Gott die Welt geliebt », steht im Johannesevangelium. Diese Liebe hat nicht nur das Seelenheil der Menschen im Auge, sondern auch das tägliche Brot für alle! Das wird sichtbar an folgendem Beispiel. Einst hörten Tausende Jesus zu. Er belehrte sie über den Weg zu Gott und über das Leben mit Gott. Weil es spät geworden war, wollten die Jünger die Leute hungrig den weiten Weg nach Hause schicken. Jesus aber sagte: «Gebt ihr ihnen zu essen!» Erst als alle gesättigt waren, liess er sie ziehen. So geschah Gottes Wille. Auf diese Weise wurde das Reich Gottes sichtbar und sein Name geheiligt.