Von Andreas Boppart
«Gibt es schliesslich eine bessere Form, mit dem Leben fertig zu werden, als mit Liebe und Humor?», mutmasste Charles Dickens. Der Liebe sind wir uns bewusst, wenn wir auch oft an ihr scheitern. Absolut unter seinem Wert und unter dem Radar vieler läuft jedoch das Parallelgeschenk Gottes: der Humor.
Humor ist wohl die meist unterschätzte himmlische Gabe zur Erträglichkeit des Lebens, zu der jedoch nicht alle gleichermassen den Zugang finden. Gerade auch die gefühlte Spannung zwischen Geistlichkeit und Humor raubt Letzterem an vielen Orten seine Existenzberechtigung und beschränkt manche geistlichen Handlungen und sakrale Räume auf schon fast bitteren Ernst.
Bei uns Christen grassiert die Angst, bei einem humorvollen Jesus irgendwelche Abstriche bei der Heiligkeit Gottes machen zu müssen. Dabei streichen manche auf Kosten von Humor und Lebensfreude die menschlichen Züge von Jesus, um ihn in einen unantastbaren, überirdischen Glanz zu hüllen. Ein irrationaler Rückschluss, da wir auch von seinen Wutausbrüchen im Tempel lesen, die eine ähnliche Dynamik im Zusammenhang mit Heiligkeit aufweisen. Aber weder Wut noch Humor schliessen seine Heiligkeit aus. Wir Menschen stolpern somit im Leben oft nicht über Gott selbst. Wir stolpern über unser Gottesbild. Was vielleicht eine Renovation benötigt.
«Es war zu allen Zeiten für viele Christen nicht einfach, das zu verkraften: Jesus auf einer Hochzeit, locker und fröhlich mittendrin», schreibt der Theologe Christoph Morgner. Obwohl «Freude» zu einem der Hauptworte in der Bibel gehört und geschrieben steht «… eure Freude soll niemand von euch nehmen» (Johannes 16,22), versuchen wir allzu oft, genau diese Freude und das herzhafte Lachen, vor allem aber den oft zu Unrecht als «weltlich» bezeichneten Humor, von Jesus zu subtrahieren. Und wie schon in biblischen Zeiten ist er auch heute noch manchen Religiösen zu fröhlich (Lukas 7,34). Dabei soll genau diese Freude, die er ausstrahlt, unsere Stärke sein (Nehemia 8,10).
«Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht», hat Christus gesagt (Matthäus 11,30). Wir beschweren uns und andere durch Lieblingsdogmen oft unnötig. Denn je näher wir Gott kommen, umso leichter wiegt das Leben. Humor ist Gottes Geschenk an uns, das Leben zu ertragen. Nicht um den Schmerz oberflächlich auszudrücken oder ihm auszuweichen. Sondern mitten in ihm, durch ihn wieder ins Leben hineinzufinden. Der Theologe Helmut Thielicke sieht im Humor eine Seelenhaltung, ein Status weltüberwindender Distanz, der den Rahmen des Augenblickes sprengt. Dem pflichtet die Psychologie bei, die Humor als die Fähigkeit bezeichnet, Distanz zu sich oder einer Situation zu nehmen. Humor schafft diesen Freiraum der Distanz überhaupt erst. Oftmals ist diese Distanz auch eine unter Schmerzen errungene Disposition, nämlich die Freiheit und Souveränität gegenüber dem Schicksal. Humor ermöglicht uns, auch in schmerzlichen Lebenslagen eine gesunde Distanz zu entfalten.
Diese Fähigkeit ist die wesentliche Eigenschaft des göttlichen Geschenkes. Das Angebot, im Alltag die Ebene wechseln zu können, den Schauplatz des Geschehens innerlich zu verlassen und die Ereignisse oder sich selbst aus einem entfernteren Blickwinkel zu betrachten. Dabei erlebe ich, wie sich immer wieder eine Leichtigkeit ausbreitet, wenn ich mein Leben von «ausserhalb» betrachten kann. Wenn bei uns Christen nicht gelacht wird, dürfen Menschen zu Recht nervös werden – denn mit der Gewissheit der Erlösung geht ein Grundrauschen der Freude einher.
Karl Barth machte drei Wochen vor seinem Tod folgende bezeichnende Aussage: «Ein Christ treibt dann gute Theologie, wenn er im Grunde immer fröhlich, ja mit Humor bei der Sache ist. Nur keine verdriesslichen Theologen! Nur keine langweilige Theologie!» Möge diese Forderung von Barth in uns weiterklingen.
Ach übrigens, die gute Nachricht an alle Humorlosen: Humor ist lernbar. Viel Freude bei der Suche nach ihm und der damit verbundenen Lebensleichtigkeit.