Von Rebecca Giselbrecht
400 v. Chr. benutzten die Menschen im antiken Rom und Griechenland Strassenlaternen zur Sicherheit. Es waren Sklaven, die das Licht tragen und die Lampen löschen, bewachen und pflegen mussten. Im 5. Jahrhundert verwendeten die Menschen in Peking Bambusrohre, um Erdgas aus Vulkanlecks in ihre Gemeinden zu leiten und die Wege in der Nacht zu beleuchten. Im Mittelalter war die Strassenbeleuchtung in Europa Sache der Unterschicht. «Link Boys» trugen Lichtfackeln, um wohlhabenderen Menschen zu helfen, ihren Weg durch dunkle Strassen zu finden. Im Jahr 1417 ordnete der Bürgermeister von London an, dass die Menschen nachts Öllaternen vor ihren Häusern aufstellen sollten. Später wurden die Strassen mit Ölkerzen, Gaslaternen und schliesslich mit Elektrizität beleuchtet, heute mit LED-Lampen.
Warum erzähle ich Ihnen das?
Weil die Geschichte der Strassenlaternen ähnlich ist wie Gottes Idee von Lichtträgern in unserer Welt – gestern und heute. Die Sache mit dem Licht ist, wie die Bibel sagt: Wo Licht ist, kann keine Finsternis sein. Diese Wahrheit fasziniert mich. Die andere Wahrheit ist, dass es ausser dem natürlichen Licht der Sonne, vom Mond und den Sternen noch einen Menschen oder einen brennenden Gegenstand braucht, um Licht an einen dunklen Ort zu bringen. Stellen Sie sich eine Höhle vor, in der kein Licht ist. Wenn jemand nur ein einziges Streichholz anzündet, wird die ganze Höhle erhellt.
Licht kann man nicht einfangen
Etwas muss das Licht beherbergen. Licht ist etwas, das von einem Wirt auf einen anderen übertragen werden muss und dann hat der andere auch Licht. Im Sinne des Planes unseres
Schöpfergottes für die Welt ist ein Lichtträger jemand, der das Licht und, wie Johannes Calvin treffend sagte, die Gewissheit der Erlösung in Jesus Christus durch den Heiligen Geist empfangen hat. Dieser Lichtträger ist dann wie die Sklaven, die das Licht trugen oder die armen «Link Boys», die mit Fackeln vor anderen Menschen her gingen. Die Lichtträger in Christus sind aber reich im Geist und tragen freiwillig und gerne das Licht der Wahrheit von Gottes Plan für alle Menschen überall hin und teilen das Licht der Erlösung durch unseren Herrn Jesus Christus an andere Menschen aus. Sie tragen das Licht für andere – bis die anderen selbst das Licht sehen, empfangen und tragen können. Lichtträger sind nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen – aber das Licht brennt in ihren Herzen, leuchtet in ihren Augen. Ihre Handlungen reflektieren das Licht ihres Herzens und strahlen es in die Welt hinein.
Die Herausforderung, ein Lichtträger zu sein …
… ähnelt dem Licht in der Geschichte von Strassenlampen. Schwierigkeiten bestehen darin, das Licht am Leuchten zu halten. Als Lichtträger, der das Licht der Gewissheit des Glaubens an Christus trägt, geben wir das Licht immer weiter, müssen aber auch in der Lage sein, das Licht in uns selbst stark, klar und hell zu erhalten. Dazu müssen wir immer wieder zur Quelle zurückgehen. So wie die Alten zum Vulkan zurückkehrten, um brennbares Gas zu holen, um Licht zu erzeugen, müssen wir zur Quelle zurückkehren, zu Gott, um unsere Aufgabe, das Licht zu teilen, fortzusetzen.
Für mich bedeutet das, Zeit mit Gott im Gebet und in der Meditation zu verbringen. Die Bibel zu lesen, spirituelle Praktiken auszuüben und in der Gemeinschaft der Lichtträger zu bleiben, in der Communio Sanctorum, mit Menschen der Kirche Gemeinschaft zu pflegen, um ihr Licht, ihre Liebe und Korrektur zu erfahren.
Das Rezept, ein Lichtträger zu sein, …
… mag so altmodisch klingen wie das Anzünden von Lampen in den Strassen mit einer Fackel, aber es ist die Wahrheit. In diesem Quartal habe ich eine Gruppe von Masters Theologiestudenten in Selbstfürsorge und spiritueller Bildung unterrichtet und gleichzeitig zu 100 Prozent als Pfarrerin in einer Landeskirche gearbeitet. Meine Studenten und meine Gemeinde kommen zu denselben Schlussfolgerungen: Wir werden im Licht zum Licht und je weiter wir uns vom Licht entfernen, desto weniger leuchten wir. Gott ist das Licht, das wir im Herzen durch Glauben empfangen. Es kann lediglich geteilt werden und wir können nur Lichtträger sein, wenn Gottes Licht der Wahrheit in uns leuchtet. Die Nähe zur Quelle des Lichts muss das Zentrum der Existenz eines Lichtträgers sein.
Zur Person
Rebecca Giselbrecht ist Pfarrerin in der evangelischen Kirche Frauenfeld, Professorin für Kirchengeschichte und Spiritualität am Fuller Theological Seminary. Sie hat fünf erwachsene Kinder und ihr Herz schlägt für die Missio Dei und Menschen.
Serie «Gott ist …»
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.