Von Ruedi Josuran
Kürzlich bei einem Fussballspiel-Interview mit den Akteuren sagt einer: «Wer keine Tore schiesst, kann keine Spiele gewinnen.» Typische Floskel, Worthülse oder gar Fussballweisheit? Auch Politiker haben typische Weisheiten auf Lager: «Die Zukunft liegt in unseren Händen.» «Es ist Zeit für einen Wandel.» Als Kommunikations-Mensch bedeutet mir ein Satz sehr viel: «Wir wissen immer mehr, können aber immer weniger einordnen.»
Das verfügbare Wissen ist in unglaublichen Mengen verfügbar. Wie steht es aber um Weisheit, die einordnet und klärt? Viele literarische Werke enthalten tiefe Einsichten in die menschliche Natur, das Leben und die Welt. Romane, Gedichte, Essays und Dramen von Autoren wie William Shakespeare, Leo Tolstoi, Fjodor Dostojewski, Virginia Woolf, Hermann Hesse und anderen.
Wissen und Weisheit sind zwei unterschiedliche Konzepte
Sie werden oft miteinander verwechselt, aber dennoch verschiedene Bedeutungen haben. Wissen bezieht sich auf Fakten, Informationen und Kenntnisse, die eine Person über verschiedene Themen oder Bereiche hat. Es ist das Ergebnis von Lernen, Erfahrung, Studium oder Forschung. Wissen kann objektiv sein und durch Bücher, Lehrer, Internetquellen und andere Informationsquellen erworben werden. Es geht um das «Was» und das «Wie» von Dingen und Ereignissen.
Weisheit hingegen ist für mich ein tieferes Verständnis und eine Anwendung von Wissen in einer Art und Weise, die Einsicht, Urteilsvermögen, Klugheit und Verständnis umfasst. Es bezieht sich auf die Fähigkeit, Informationen und Erfahrungen zu analysieren, zu reflektieren und in einem grösseren Kontext zu verstehen. Weisheit geht über blosses Wissen hinaus und beinhaltet oft eine emotionale Intelligenz sowie eine Fähigkeit zur moralischen Bewertung. Es geht um das «Warum » und das «Wofür» von Dingen und Ereignissen.
In der Praxis zeigt sich der Unterschied zwischen Wissen und Weisheit oft in der Art und Weise, wie Menschen mit Situationen umgehen, Entscheidungen treffen und ihr Leben führen. Jemand mag über viel Wissen auf einem bestimmten Gebiet verfügen, aber ohne Weisheit könnte er Schwierigkeiten haben, dieses Wissen effektiv anzuwenden oder die Konsequenzen seiner Handlungen richtig zu verstehen. Weisheit kommt oft mit Erfahrung, Reflexion und einer tiefen inneren Verarbeitung von Wissen.
Die «salomonische Weisheit»
Auf den Punkt kommt für mich exemplarisch die Geschichte im Alten Testament aus dem 1. Buch der Könige, Kapitel 3, in der Salomo vor Gott steht und um Weisheit bittet, um sein Volk gerecht regieren zu können. Gemäss der Erzählung bot Gott Salomo die Möglichkeit an, sich etwas zu wünschen, und anstatt Reichtum oder Macht zu wählen, bat Salomo um Weisheit, um sein Volk gut zu regieren. Gott war von dieser Bitte beeindruckt und gewährte Salomo nicht nur aussergewöhnliche Weisheit, sondern auch Reichtum und Ruhm.
Die «salomonische Weisheit» wird oft als Synonym für aussergewöhnliche Weisheit und Urteilsvermögen verwendet, insbesondere in politischen oder rechtlichen Zusammenhängen. Es bezieht sich auf die Fähigkeit, kluge und gerechte Entscheidungen zu treffen, die zum Wohl aller Beteiligten sind. Eindrücklich sind auch seine richterlichen Entscheidungen. Die Bibel übrigens schreibt die Weisheit nicht Salomos eigener Leistung zu, sondern sagt: «Die Weisheit Gottes war in ihm.»