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Mädchen wird an den Händen des Vaters über eine Wiese geschwungen
Sicher in den Händen des Vaters | (c) mimagephotography/dreamstime

Treue und Beständigkeit – Grundlagen für ein ganzes Leben

Die «Stiftung Diheit» bietet familiäre Strukturen und sicheren Hafen.
Publiziert: 22.01.2024 23.01.2024

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Von Andreas Schmidt

Beständigkeit und Treue schaffen eine stabile Grundlage, damit Kinder zu selbstbestimmten, kompetenten Erwachsenen heranreifen können – davon ist Andreas Schmidt überzeugt. Auch für ihn persönlich sind diese beiden Werte zentral: Seit mehr als zwanzig Jahren setzt er sich mit der Stiftung DIHEI dafür ein, gesellschaftlich benachteiligten Kindern einen sicheren Hafen und familiäre Strukturen zu bieten.

Sie sind Teil meines Charakters, prägen mein ganzes Sein und widerspiegeln sich in meinen privaten und beruflichen Prioritäten eins zu eins: Treue und Beständigkeit. Treue verstehe ich als Verpflichtung oder Hingabe gegenüber einer Person, einer Sache oder einem Prinzip, die sich durch Zuverlässigkeit, Loyalität und Standhaftigkeit auszeichnet. Beständigkeit wiederum bezieht sich auf die Qualität, stabil, konstant oder unveränderlich zu sein, und kann in verschiedenen Kontexten verwendet werden, einschliesslich emotionaler, moralischer oder physischer Beständigkeit. Beide Begriffe betonen also Kontinuität und Verlässlichkeit in Beziehungen oder Verhaltensweisen.

Seit mehr als zwanzig Jahren leite ich die Stiftung DIHEI, welche gesellschaftlich benachteiligten Kindern und Jugendlichen ein Zuhause auf Zeit bietet. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf einem verlässlichen, sicheren Ort der Geborgenheit und Verbindlichkeit. Darum ist Beständigkeit und Treue von Seiten der begleitenden Erwachsenen das A und O, denn viele der bei uns lebenden Kinder haben in der Vergangenheit wenig Sicherheit erfahren.

Verlässliche Begleitung

Gerade darauf fokussieren wir in der Stiftung DIHEI besonders. Wir wollen ein Zuhause als sicheren Ort anbieten, im Kontrapunkt zu dem, was die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen bislang erlebt haben. Der «Sichere Ort» ist ein stehender Begriff in der Sozialpädagogik. Er umschreibt die Voraussetzung dafür, dass Kinder zu selbstbestimmten, toleranten und kompetenten Erwachsenen heranreifen, die über ein stabiles, ausgewogenes Selbstgefühl verfügen und einen hohen Grad an Selbstwirksamkeit besitzen. Wie können wir das erreichen? Indem wir vor allem einen Ort schaffen, an dem sich Kinder und Jugendliche vorbehaltlos aufgehoben und geborgen fühlen – eben einen sicheren Ort. Entscheidend dafür ist, was Kinder im Alltag erleben. Sicher fühlen sie sich dann, wenn das, was passiert, für sie vorherseh- und vorhersagbar ist. Deshalb sind verlässliche Betreuungspersonen, transparente Abläufe im Alltag, feste Rituale und eine geordnete Umgebung wichtig. Erleben Kinder täglich einen sicheren äusseren Ort, sind sie in der Lage, auch in sich selbst einen sicheren Ort aufzubauen.

Was heisst das praktisch? Kinder und Jugendliche sollten neben liebevoller Aufmerksamkeit davon ausgehen können, dass Lösungen für die alltäglichen Bedürfnisse und Nöte gemeinsam gesucht werden. Sie sollen bestärkt werden: «Du kannst etwas entscheiden, du kannst etwas bewirken, du gehörst dazu, du wirst wertgeschätzt.» Deshalb sollten wir uns nicht dazu verleiten lassen, Dinge über den Kopf heranwachsender Kinder hinweg zu entscheiden. Gerade der freie Wille ist ein von Anfang an gegebenes Schöpfungsmerkmal des Menschen. Auf dieser Grundlage einer konstanten, berechenbaren Umgebung wird es für Heranwachsende erst möglich, sich weiterzuentwickeln und in der Folge mit Emotionen und Entscheidungen umgehen zu lernen. Je mehr sich Heranwachsende ernst genommen fühlen und selbstwirksam erleben, desto sicherer fühlen sie sich und umso besser können sie ihre Emotionen verstehen und angemessen mit ihnen umgehen. Deshalb brauchen gerade verunsicherte Kinder beständige Bezugspersonen. Beispielsweise dieser Junge, der aufgrund der Erfahrung, dass seine Umwelt oft abweisend war, sich aus Angst vor erneuter Zurückweisung zurückzieht. Oder da ist ein Mädchen, das nicht wieder verlassen werden will und deshalb klammert. Oder das Kind, welches aus Angst vor Gewalt durch schwieriges Verhalten Aufmerksamkeit sucht, muss erfahren können, dass man sich nicht deswegen von ihm abwendet.

Vorbild sein und gleichzeitig Mitbestimmung ermöglichen

Deshalb sollten erwachsene Bezugspersonen zugewandt sein und gleichzeitig machen lassen; Vorbild sein und gleichzeitig Mitbestimmung ermöglichen; offene Ohren und Arme anbieten und gleichzeitig die Ablösung aushalten. Das befähigt zum Leben. Das gelingt nur in einer beständigen, treuen und verlässlichen Vertrauensbeziehung. Gute Beziehungserfahrungen sind eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung hin zu einem gesunden erwachsenen Menschen, der in aller Freiheit und in Verantwortung für sich gute Entscheidungen treffen kann. Selbstvertrauen gibt Halt. Es ist von grosser Bedeutung, dass sich Kinder und Jugendliche als «im Leben kompetent» erleben und ein Gefühl von Kontrolle über ihr eigenes Leben haben. Wir sollten grundsätzlich von der Kompetenz des Kindes für eigene Lösungsmöglichkeiten ausgehen. Unser Ziel soll es sein, durch ein emotional förderndes Klima aus Verständnis, Akzeptanz, Wertschätzung, Sympathie und liebevollen Beziehungen im Kind und Jugendlichen Lebenskompetenzen aufzubauen.

Als ausgeprägt beziehungsorientierter Mensch ist es mir persönlich wichtig, in Gemeinschaft leben zu können, die durch emotionale Tiefe geprägt ist. Ich habe das Glück, auf meinem mehr als sechzigjährigen Lebensweg unter anderem als Ehepartner, Vater, Pflegevater, Freund, Teamkollege, Gesamtleiter der Stiftung DIHEI viele verbindliche und vertraute Beziehungen zu erleben. Ich denke, das hat mir geholfen, dem Leben gegenüber positiv und flexibel zu bleiben. Denn mein Alltag macht es nötig, dass ich mich schnell an veränderte oder unerwartete Umstände anpassen können muss. Sicher hilft es mir, dass ich gut gelassen bleiben kann – auch in chaotischen Situationen – und dadurch verbindend und beruhigend wirke auf andere und aufrichtig zu ermutigen vermag. Meine optimistische Lebenseinstellung trägt darüber hinaus das ihre dazu. Sie hilft mir, andere zu begeistern oder in unruhigen Situationen mit beharrlicher Energie dranbleiben zu können.

Sichere Bindung aufbauen und leben

Warum ist Beständigkeit und Treue wichtig für uns Menschen? Damit wir zu uns selbst und zu anderen eine sichere Bindung aufbauen und leben können. Eine sichere Bindung zeichnet sich dadurch aus, dass wir auch mit Stresssituationen gut umgehen können. Das zeigt sich darin, dass wir Gefühle von Stress, Unsicherheit, Ärger und Angst regulieren, nachvollziehbar ausdrücken und uns selbst beruhigen können. Um das zu erlernen, sollte ein Mensch erleben, dass er geschätzt, erkannt und verstanden wird als der, der er ist. Denn dieses «Gesehenwerden» hilft, sein eigenes Potenzial zu erkennen, einzusetzen, weiterzuentwickeln und kontinuierlich zu verbessern. Es braucht dafür ein Gegenüber, auf das man sich verlassen und dem man vertrauen kann. Aus diesem Grund versuche ich Treue und Beständigkeit zu leben, überall dort, wofür ich mich verpflichtet habe, so dass andere sich auf mich verlassen und mir vertrauen können und wissen, dass ich ungeachtet der Umstände für sie da bin.

Dafür braucht es oft einen langen Atem, insbesondere auch in schwierigen Situationen. Dabei hilft mir persönlich der christliche Glaube. Denn darin fühle ich mich selbst von Gott gesehen, getragen und bedingungslos geliebt. Treu und beständig zu sein über lange Zeit, kann zugegebenermassen auch müde machen. Deshalb ist es wichtig, nicht als Getriebener durchs Leben zu rasen, sondern zu sein, aus einem inneren Frieden heraus, der aus den eigenen sicheren Orten bei Gott und geliebten Menschen entspringt. Die christliche Gesinnung der Mitarbeitenden der Stiftung DIHEI kann als Mehrwert für die Kinder verstanden werden, um ihnen Wertvolles weiterzugeben.

Auf einer positiven Lebensspur begleiten

Damit sind nicht religiöse Praktiken gemeint, sondern Betreuungspersonen, die als Menschen wahrgenommen werden, die in ihrem Glauben getragen sind und darin ihre persönliche Sinnstiftung finden. Es bedeutet Mitarbeitende und Fachpersonen, die aus ihrem eigenen Glauben Zuversicht und Sicherheit schöpfen und ihre Vielfalt an Talenten, Neigungen und Leidenschaften nutzen, um den Kindern diese auf ihrem Lebensweg mitzugeben. Denn behutsame Erwachsene können Kinder auf eine positive Spur des Lebens begleiten und ihnen geben, was es für eine gesunde und gelingende Entwicklung braucht. Sie können aus der eigenen Sicherheit heraus Kindern Sicherheit vermitteln und ihnen Anregung geben, die Welt zu entdecken, einfach Kind zu sein, richtig loszulegen. Um dann den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, loszulassen. Dieser Zeitpunkt ist für Erwachsene oft eine Herausforderung. Wann soll man die Kinder ziehen lassen? Wann sollen sie ohne elterliche Aufsicht die Welt erkunden? Wann sollen sie ihre eigenen Fehler machen und Risiken eingehen können? «Ziehenlassen» im richtigen Moment ist eine wichtige Voraussetzung für das Leben jedes Kindes.

 

Ermutigung geschieht, wenn ein positives Selbstgefühl entsteht …

  • durch das Erleben, jemandem wertvoll zu sein, und dem daraus entstehenden Vertrauen, jemandem wirklich etwas zu bedeuten.
  • durch Beziehungs- und Erlebnisqualität, Situationen und Erlebnisse, die wir gemeinsam haben.
  • dadurch, dass uns jemand etwas zutraut und zumutet.
  • durch positive Botschaften, die wir verbal und nonverbal bekommen.
  • durch Gespräche und Diskussionen, die mit uns wertschätzend geführt werden.

 

Stiftung Dihei
Die Stiftung DIHEI ist ein Verbund von individuellen Familien und bietet gesellschaftlich benachteiligten Kindern und Jugendlichen einen sicheren Ort der Geborgenheit und Verbindlichkeit und unterstützt sie in ihrer Entwicklung.

 

Zur Person
Andreas Schmidt ist Gesamtleiter der Stiftung DIHEI mit Sitz in Zürich. Das Angebot der Stiftung DIHEI besteht aus fünf sozialpädagogischen Familieneinheiten, in denen 40 Kinder ein Zuhause auf Zeit finden. Andreas Schmidt ist 64 Jahre alt, über 40 Jahre verheiratet mit Veronika Schmidt, Vater von vier erwachsenen Kindern und Grossvater von mehreren Enkelkindern. Er lebt in Schaffhausen.

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