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Meine Weihnachtsgeschichte | (c) unsplash
Meine Weihnachtsgeschichte | (c) unsplash

Auf dem Weg nach Bethlehem – eine Weihnachtsgeschichte

«Meine Weihnachtsgeschichte» - erzählt von Andrea und Simon, Heilerziehungspflegerin und Projekt Manager
Publiziert: 14.10.2020

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Bastian schaute mit leuchtenden Augen zur hell erleuchteten Strassenlaterne empor. Tatsächlich, das Nasse etwas, das seine Wange gerade eben gekitzelt hatte, musste die allererste Schneeflocke in diesem Jahr gewesen sein! Na ja, vielleicht nicht die allererste auf der ganzen Welt. Aber zumindest eine der ersten in der Jupiterstrasse 37. Da wohnte Bastian nämlich. Der Junge grinste. Wenn der erste Schnee vom Himmel fiel, konnte auch Weihnachten nicht mehr weit sein. Gerade wollte er sich auf den Weg zu seiner Mutter machen, als er Meryem, seine neue Nachbarin, aus dem Haus kommen sah. Sie hielt sich eine Hand auf ihren kugelrunden Bauch. Oh Mann, wenn der Bauch bloss nicht platzt, dachte Bastian, winkte seiner Nachbarin zu und rannte so schnell er konnte ins Haus.

«Mama? Der Schnee kommt doch immer so fünf Tage vor Weihnachten, damit er dann knapp vor Weihnachten wieder verschwindet, um dann nach Weihnachten wiederzukommen.» Mama runzelte die Stirn. «Wie kommst du denn darauf?» – «Na, weil wir schon lange keinen Schnee mehr zu Weihnachten gekriegt haben. Nur immer vorher und nachher.» – «Tja, wir hatten in den letzten Jahren tatsächlich keinen Schnee mehr an Heiligabend. Aber es geht ja an Weihnachten auch nicht um den Schnee.» – «Ne, um die Geschenke!», strahlte Bastian. Mama lachte. «Na ja, auch. Aber eigentlich feiern wir an Weihnachten ...» – «Das weiss ich doch, Mama! Dass Jesus geboren wurde!» – «Stimmt! Weil Gott uns so sehr liebt, hat er uns Jesus geschickt.» – «Aber wie lange dauert es denn noch bis Weihnachten?» – «Noch zehn Tage», sagte Mama. «Oh, dann schreibe ich jetzt schnell noch meine Wunschliste!»

Kurz darauf kritzelte er auf ein zerknittertes Papier: 1. Chikbord - 2. Kopf hörer mit dLuthuf - 3. Cede von Gälegsikids

Wunschliste

Stolz überreichte er das Papier seiner Mutter. Nachdem sie die Liste gelesen hatte, sagte sie: «Das sind tolle Wünsche, Bastian. Aber du weisst, dass dein Papa im Moment keine Arbeit hat und wir dir darum nur ein Geschenk machen können.» Bastian nickte traurig. Mama nahm ihren Sohn in den Arm. «Hey, unser grösstes Geschenk ist doch, dass wir einander haben.» Tolles Geschenk, dachte Bastian. Er befreite sich aus Mamas Umarmung, rannte in sein Zimmer und warf sich auf sein Bett. Alle anderen bekamen ganz viele Geschenke, nur er bekam nur ein einziges. Dabei hatte er doch so tolle Wünsche!

Am Morgen des 24. Dezembers kickte Bastian lustlos kleine Steinchen in die Wiese. Der Schnee war verschwunden und vom Himmel fielen vereinzelt Regentropfen. Seine Eltern hatten ihn aus dem Haus geschickt, damit sie den Christbaum schmücken konnten. Der sah dieses Jahr bestimmt total einsam aus, so ohne viele Geschenke untenrum.

Leiterwagen gefragt

Plötzlich hörte er, wie die Türe vom Nachbarshaus aufging. Meryem trat heraus und rief ihm zu: «Ich habe Kekse gebacken. Du kannst gerne ein paar essen und eine Tasse Kakao trinken.» Das hörte sich gut an. Er ging hinüber, zwängte sich zwischen dem Türrahmen und dem dicken Bauch von Meryem durch und folgte dem Duft der Schokoladenkekse in die Küche. «Wo ist denn dein Mann?», wollte Bastian wissen. «Der ist in der Türkei. Aber wenn das Baby kommt, ist er sicher wieder da», lachte Meryem. Skeptisch schaute der Junge auf ihren Bauch. «Bist du sicher?» Meryem nickte. «Heute Morgen hatte ich zwar erste Wehen, aber ich glaube das ist normal.» – «Hm!», meinte Bastian nicht ganz überzeugt. Doch als seine Nachbarin ihm den Teller mit den Keksen hinstreckte, hatte er den dicken Bauch vergessen und langte tüchtig zu. Meryem drehte sich um und wollte gerade die Milch aus dem Kühlschrank holen, als sie plötzlich stöhnte, die Hände um den Bauch legte und sich keuchend nach vorne beugte. Mit weit aufgerissenen Augen schaute Bastian Meryem an. «Was ist?» Durch zusammengebissene Zähne presste sie hervor: «Vielleicht will das Baby doch etwas früher kommen.» – «Ich hole Mama!», rief Bastian, rannte los und kam kurz darauf mit seinen Eltern im Schlepptau aus dem Haus gerannt. Meryem wartete bereits mit einer kleinen Tasche auf sie. Der Regen hatte zugenommen. Schnell stiegen alle ins Auto. Papa drehte den Schlüssel, doch nichts passierte. Er versuchte es wieder und nochmals. Vergeblich. Frustriert schlug Papa mit der Hand auf das Steuerrad des alten Fahrzeuges. «Habt ihr ein Auto Meryem?» – «Nein», presste sie hervor.Das Krankenhaus war nicht weit. Doch zu Fuss würde es Meryem wohl nicht schaffen. Plötzlich hatte Bastian eine Idee. Er sprang aus dem Auto und rannte in die Garage. Kurz darauf kam er mit einem Bollerwagen zurück. Ein grosses Kissen lag darin. «Meryem, setz dich hinein, wir ziehen dich!» Ungläubig starrte die Schwangere auf den Jungen und dann auf den Bollerwagen. Sie schüttelte den Kopf, doch dann stöhnte und keuchte sie und aus dem Kopfschütteln wurde ein Nicken. «Okay!», sagte sie und hievte sich aus dem Auto. Dann liess sie sich mit Mamas und Papas Hilfe in den Bollerwagen plumpsen. Papa zog den Wagen, Mama schob, und Bastian hielt den Schirm über Meryem. Während Meryem immer wieder ihr Gesicht verzog und stöhnte, schnauften Mama und Papa um die Wette. Auf einmal lächelte Meryem. «Weisst du Bastian, was mein Name bedeutet?» Bastian schüttelte den Kopf. «Maria!» – «Und weisst du, wie das Krankenhaus heisst, in das wir dich bringen?», fragte Mama. Nun schüttelte Meryem den Kopf. «Bethlehem!» Bastian kicherte. «Habt ihr schon einen Namen für das Baby?», meldete sich nun auch Papa zu Wort. «Ich wüsste da noch einen!»

Als sie dann irgendwann alle im Krankenhauszimmer sassen und die kleine Angelina bestaunten, fühlte sich Bastian so richtig glücklich.

Überraschung zum Zweiten

Auch Papa lehnte sich zufrieden im Sessel zurück. Dabei rutschte sein Mantel auf den Boden. Als er ihn wieder aufhob, schaute eine Ecke eines Briefumschlages aus der Tasche. «Ach, die Post von heute Morgen hatte ich ja ganz vergessen.» Er riss den Briefumschlag auf, holte das Papier heraus und fing an zu lesen. Dann hob er strahlend den Kopf. «Was ist denn Papa?», fragte Bastian aufgeregt. «Bei meinem ehemaligen Arbeitgeber ist eine Stelle frei geworden und sie wollen, dass ich sie besetze!» Nun strahlten alle drei um die Wette. «Wow, was für ein Weihnachtsgeschenk!», rief Mama glücklich.Irgendwann verabschiedeten sich die drei und machten sich auf den Heimweg. Während Papa Mama und Bastian im Bollerwagen nach Hause zog, goss es in Strömen. Der Schirm, den Bastian über sich und Mama gehalten hatte, klappte plötzlich zu und liess sich nicht mehr öffnen. Von einer Sekunde auf die andere waren alle klitschnass und mussten auf einmal so laut lachen, dass sie fast nicht mehr aufhören konnten. Endlich zu Hause und in trockenen Kleidern, setzten sich Papa und Bastian vor den beleuchteten Christbaum. Der Junge seufzte zufrieden. Zwar lagen nicht so viele Geschenke unter dem Baum wie in anderen Jahren, doch er fühlte sich trotzdem beschenkt. Als Mama dann auch noch auf einem neuen Kickboard ins Wohnzimmer fuhr und ihn einlud, doch mal eine Runde um den Christbaum zu drehen, strahlte Bastian übers ganze Gesicht.

Autoren: Andrea und Simon

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