Von Markus Kleiner
Ich durfte letzthin einen Künstler in seinem Atelier besuchen. Als ich in sein Atelier eingetreten bin, habe ich sofort bemerkt, dass da gearbeitet wird! Eine Staffelei fiel mir ins Auge. Fertige Bilder zierten die Wände. Andere Bilder, die noch nicht fertig waren, lagen und standen da und dort, manche auch verstaut in einem Gestell. Es roch nach Farbe. Der Raum war hoch, man konnte sich innerlich ausbreiten und in die Höhe denken und fühlen. Ach, irgendwie fühlte ich mich sofort daheim hier.
Der Künstler zeigte mir ganz viele Bilder und Skizzen in unterschiedlichsten Variationen und Arten und mit verschiedensten Farbstimmungen. Manchmal erkannte ich das, was er mit dem Bild ausdrücken wollte, manchmal auch nicht. Manche Bilder berührten mich. Zwar konnte ich nicht sagen warum. Ich wusste einfach, dass mich da etwas trifft. Mir fiel auf, dass er seinen Bildern keine Titel gibt. «Für den Titel des Bildes ist der Betrachter zuständig!», erklärte er. Das fand ich schön!
Eines beeindruckt mich ganz besonders: Der Künstler ist ein Sammler von ganz verschiedensten Dingen, die er später irgendeinmal in eines seiner Bilder oder Kunstwerke einbaut oder einarbeitet. Das können ganz alltägliche und auf den ersten Blick unscheinbare Alltagsgegenstände sein. Zum Beispiel ein kleines, filigranes Ästchen, welches von vielen Autos überfahren, das heisst plattgefahren wurde. Dann kann es aber auch ein gemaltes Bild sein, welches ihm nicht gefällt, das er auf die Seite legt und dann später wieder nach vorne holt, um es weiterzuverwenden oder zu überarbeiten oder weiter zu malen – und plötzlich wird es zu einem wunderbaren Kunstwerk.
Ich frage mich: Ist Gott nicht auch so ein Künstler, der mit unseren unschönen Ecken und Kanten und unseren grellen Farben etwas Wunderbares machen kann? Ja, der sogar aus einem «verpatzten» Leben noch ein wunderbares Kunstwerk hervorbringt? Dieser Gedanke gefällt mir! Ich bin Gottes Kunstwerk und darf im Atelier der Künstlerin sein und mit IHR leben. SIE verändert mich, macht mich schön. Bringt verschiedene Farben rein, manchmal auch Schatten. Und dann gibt es Zeiten, wo ER mir ganz nah ist und intensiv an mir arbeitet, dann aber auch wieder Zeiten, in denen nicht so viel geht und wo ich mich fühle wie ein Bild, welches am Rande abgestellt wurde oder an einer Wand wartet. Aber eigentlich ist das gar nicht so schlimm! Wichtig ist vielmehr, dass ich im Atelier der Künstlerin, meines Gottes, leben darf. Das ist das Schönste! Auch der Titel über meinem Leben ist nicht so wichtig. Hauptsache, ich bin ein Werk aus der Hand des Künstlers. Das genügt mir, mehr brauche ich nicht …