Vermutlich hat jeder von uns so seine Lebensthemen. Darunter verstehe ich diejenigen Themen, die uns ein Leben lang begleiten. Wir wachsen zwar darin, lernen und reifen, aber es sind und bleiben die Themen, die uns am meisten herausfordern. Mein Lebensthema ist definitiv meine Tendenz, «stark sein» zu müssen.
Kein Wunder also, dass mich der Vers aus 2. Kor 12,9 so stark anspricht und schon seit vielen Jahren mein Lieblingsvers ist: «Und Er hat zu mir gesagt: ‹Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.›» (NLB)
Ich kann nicht sagen, dass ich es liebe, schwach zu sein, und nach wie vor fällt es mir schwer, zu Schwäche zu stehen. Gleichzeitig sehe ich im Rückblick auf mein Leben, dass ich schon oft Gelegenheit hatte, in diesem Bereich zu üben, und habe dabei ganz viele befreiende Erfahrungen gemacht: Ich muss gar nicht dauernd müssen, sondern darf auch einfach sein. Nicht ich muss diese Welt retten, das hat Jesus schon getan. Mein Auftrag ist es, in dem treu zu sein, was Er mir aufgetragen hat, und alles andere von Ihm zu erwarten.
Als ich 2008 geheiratet habe, bin ich zu meinem kroatischen Mann nach Bosnien- Herzegowina gezogen. Ich kannte das Land schon von vielen Reisen, trotzdem wusste ich letztlich nicht, was mich wirklich erwartet. So fand ich mich wieder in einem fremden Land, und plötzlich war alles anders: Ich hatte keine Position mehr, konnte die Sprache nicht, kannte niemanden und realisierte: Hier hat niemand auf mich gewartet! Ich fühlte mich alleine, oft ohnmächtig, wenn ich mich nicht ausdrücken konnte, und nicht selten habe ich mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich? In dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit, mich ganz von Gott abhängig zu machen. Ich lernte wieder neu, dass nicht mein Einsatz für Ihn und die tollen Resultate zählen, sondern dass ich sein Kind bin – und das genügt! In diesem Wissen liegt Stärke. All die Herausforderungen, die vor mir lagen, lernte ich mit Gottes konkreter Hilfe anzupacken.
Heute lebe ich wieder in der Schweiz, und auch hier gibt es für jeden von uns genug Herausforderungen zu bewältigen – gerade jetzt in der aktuellen Situation mit Corona. Es sind wieder andere Aspekte, die mich in die Abhängigkeit von Gott treiben und die mich nach seiner Stärke suchen lassen. In aller Unsicherheit, in der Komplexität der Situation, im Umgang mit so unterschiedlichen Meinungen ist es schwierig, einen guten Weg zu gehen. Aber genau das ist mein Wunsch: Auch hier und heute immer wieder neu aus Gottes Kraft zu leben. Er ist meine Stärke und mein Schutz. Er regiert und nicht ein Virus. Dieses Wissen macht mich stark und lässt mich gleichzeitig immer wieder Seine Gegenwart suchen! Vor ein paar Tagen fand ich in unserem Briefkasten einen Umschlag mit einer grossen Geldsumme drin, aber ohne Absender. Ein einziger Satz stand dabei: «Gott sieht deinen Einsatz!» Abgesehen davon, dass ich einfach überwältigt war, war es für mich ein Händedruck Gottes in einer Phase, in der ich oft an meine Grenzen komme, oft zu wenig Zeit habe für alles, was getan werden sollte und oft nur beten kann: «Nicht ich, sondern du, Herr!» Ein Händedruck, der mich daran erinnert: «Ich bin deine Stärke. Ich versorge dich mit allem, was du brauchst, bleib einfach ganz nahe bei mir!»