Von Michelle Boss
Kennen Sie diese Disney-Prinzessinnen- Puppen, die auf Knopfdruck einen Disney-Song schmettern? Auf Wegen, zu denen ich mich nicht weiter äussern werde, kam eine meiner Töchter an eine solche Figur: Elsa, eine der beiden Hauptpersonen aus dem Disney-Kassenschlager «Die Eiskönigin». Seither dröhnt es bei uns zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten durchs Haus: «Ich bin freiiii, endlich freiii, und ich fühl mich wie neugebohoren …»
Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Stellen Sie sich uns Eltern vor, wie wir am Sonntagmorgen vom Ausschlafen träumen und um 6 Uhr früh geweckt werden von den Worten: «Ich bin frei, endlich frei …» Elsa hört sich in solchen Momenten fast schon höhnisch an.
Nein, so richtig frei fühle ich mich als Mutter selten. Jedenfalls nicht, wenn «frei» als das Gegenteil von «fremdbestimmt» verstanden wird. Das Gefühl des Fremdbestimmtseins ist für viele Elternteile, die ich kenne, eine der grossen Herausforderungen des Lebens mit Kindern.
Freiheit ist uns Menschen ein grosses Bedürfnis. So wird bereits in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.» Das Recht auf Freiheit wird in verschiedenen Dimensionen proklamiert, sei es in Form von Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Ehefreiheit oder der aktuell gern und oft beschworenen Meinungsfreiheit.
Manchmal frage ich mich allerdings: Gibt es so etwas wie eine totale Freiheit überhaupt? Im Sinne von «Nichtgefangensein» durchaus. Da sind wir als im 21. Jahrhundert lebenden Schweizer Bürger privilegiert. Aber im Sinne einer grenzenlosen Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit von jeglichen Zwängen und Verpflichtungen? Ich bezweifle es.
Wenn ich finanziell unabhängig sein möchte, bin ich auf irgendeine Form der Erwerbstätigkeit angewiesen, was meine Freiheit ganz erheblich einschränkt. Sogar wenn ich mich als Selbstversorgerin so unabhängig wie nur möglich mache, zwingt mir die Natur einen Arbeitsrhythmus auf, dem zu folgen zur Überlebensnotwendigkeit werden kann.
Die totale Freiheit ist eine Illusion. Und das finde ich gar nicht so schlimm. Denn Freiheit macht letztlich auch einsam. Sobald ich mich in verbindliche Beziehungen begebe, Teil einer sozialen Gemeinschaft bin, unterliege ich verschiedenen Zwängen. «Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt», so lautet ein bekanntes Zitat des Philosophen Immanuel Kant. Und gerade in engen zwischenmenschlichen Beziehungen muss das Grenzland zwischen diesen beiden Freiheiten immer wieder neu ausgehandelt werden. Das ist manchmal anstrengend, aber gerade diese «Grenzkämpfe » schaffen auch Berührungsflächen und letztlich Nähe.
Was ich mir aber wünsche, ist eine Art innere Freiheit. Ich wünsche mir die Freiheit, alte Glaubenssätze überdenken zu können. Ich möchte so frei wie nur möglich werden von Vorurteilen. Ich wünsche mir, dass mein Glaube sich frei von erlernten Denkmustern entfalten kann und ich immer wieder neue Aspekte von Gott entdecken kann, ohne dass mein eigenes begrenztes Denken ihn in ein Raster presst. Diese Art Freiheit lässt sich wohl nur mit viel Geduld erlangen.
Aber ich will mich ja auch frei machen von Druck …