Von Ruedi Josuran
«Wie habe ich mich verändert», ist mein erster Gedanke, nachdem ich einen FENSTER ZUM SONNTAG-Talk angeschaut habe, der zehn Jahre alt ist. Haare, Figur, Ausdrucksweise, Körpersprache. Ich wirke fremd auf mich. Ich kann irgendwie nicht zu mir stehen. Ich sehe ganz viele Mängel und Defizite. Wie oft habe ich mich im Laufe meiner Biografie verändern wollen. Ich wäre gern anders gewesen. So um die zwei Meter gross, durchtrainiert, mit weniger Selbstzweifeln. Nicht weniger häufig wollten andere mich verändern. Sie wollten, dass ich «an mir arbeite».
Wir kämpfen frontal gegen uns. Aber erreichen zu oft das Gegenteil. Eine Angst wird grösser, der Neid auf andere nicht kleiner. Und so bin ich die ganze Zeit darauf fixiert, gegen meine Fehler und Schwächen zu kämpfen, ohne dass sich wirklich etwas ändert. Die Kraft, die dabei vergeudet wird, fehlt im Alltag bei der Bewältigung des Lebens. Manchmal ist es besser, sich mit den eigenen Fehlern und Schwächen zu versöhnen. Nichts unterdrücken oder abwehren, sondern zulassen und mit Gott hindurchgehen. Irgendwie typisch für mich, dass ich gleich bei persönlichen Dingen lande, wenn es um das Thema «Veränderung» geht …
Veränderung kommt auch immer wieder bei beruflichen und privaten Veränderungen ins Spiel. Immer mit der Frage verbunden: Was kommt danach? Geht alles gut? Habe ich an alles gedacht? Jeden Aspekt berücksichtigt?
Wie oft habe ich versucht, Veränderungen aus dem Weg zu gehen und beim Alten zu bleiben. Auf diesem Terrain kenne ich mich schliesslich aus, fühle mich sicher. Da ist es eher vorhersehbar und kontrollierbar für mich. Eine andere Seite meldet sich aber auch immer wieder. Verbunden mit dem Wunsch, mich neu zu orientieren. Frischen Wind zu erleben. Mich selbst einer neuen Situation auszusetzen. Risiken einzugehen. Auf der Agenda heisst das: Standortbestimmung, Neuorientierung. Das Wort «orientieren» kommt übrigens von «Orient», vom Osten, in dem die Sonne aufgeht. Bewusst oder unbewusst wollte und will ich in der Veränderung oder Neuorientierung, dass die Sonne über meinem Leben neu aufgeht.
Und dann sind da auch unfreiwillige Veränderungen. Ohne Zeit sich darauf vorzubereiten oder eine Checkliste dafür zu haben. Sie können uns knallhart treffen. Eine Diagnose, der Verlust einer nahestehenden Person, ein Beziehungs-Ende, ein Unfall, eine Entlassung.
Eine gute Predigt, eine Radio- oder TV-Sendung, ein Gespräch mit einem Freund, spirituelle Übungen, Gebet – alles das kann hilfreich sein. Im Kern geht es jedoch nicht um eine Ego-Reform, sondern um das wahre Selbst. Dieses ist aber ein Geheimnis. Mich begleitet und berührt es, wenn der Theologe Thomas von Aquin sagt, dass jeder Mensch ein einmaliges Bild Gottes ist. Unsere Aufgabe wäre es, dieses einmalige Bild in dieser Welt sichtbar werden zu lassen. Es geht nicht darum, ein anderer zu sein. Ich darf mich selbst sein – in allen Veränderungen des Lebens. Es geht darum, diesem einmaligen Bild immer ähnlicher zu werden. Mein Potential von Gott her zu entfalten. Der Schöpfer des Universums hat es bereits in uns hineingelegt.