«Reden ist Silber, Schweigen ist Gold», lautet ein bekanntes Sprichwort. Rolf Germann ist Seelsorger, Coach und Supervisor. Er sagt, dass da durchaus eine gewisse Wahrheit drinsteckt. «Es gibt Situationen, in denen man wirklich besser schweigt. Zuerst überlegt, bevor man etwas sagt. Soll ich das jetzt sagen oder nicht?»
Zudem gibt es Bibelstellen, die in Zusammenhang mit Schweigen stehen. Beispielsweise diejenige Stelle, dass man seine eigene Zunge im Zaum halten soll. Im Sinne von: «Als guter Christ muss man nicht immer auf den Tisch hauen, Sachen auf den Tisch bringen, sondern man trägt sie halt.»
Andererseits sei Schweigen nicht immer förderlich, gerade dann, wenn Unrecht passiert. Das weiss Germann aus eigener Erfahrung, da er früher auch eher geschwiegen hat. Doch still zu bleiben habe ihm nicht wirklich Befreiung gebracht.
Rolf Germann hat beobachtet, «dass man über die Kinder spricht, über den Nachbarn, über die Weltsituation, über alles Mögliche.» Wenn es dann aber um das persönliche Befinden geht, gäbe es eine Barriere. Es werde versucht, alles Persönliche auszuklammern oder oberflächlich anzugehen. Gespräche über alles Mögliche, aber nichts, was einen persönlich richtig betrifft. «Die Leute sind zurückhaltend, etwas von sich preiszugeben.»
Jeder Mensch hat das Bedürfnis, von den anderen angenommen zu werden und bei seinen Mitmenschen gut ankommen. Dieses Bedürfnis wirkt sich darauf aus, ob wir uns getrauen zu sagen, was wir denken und was in uns abgeht. Denn wir könnten ja abgelehnt und nicht angenommen werden.
Durch das Nichts-Sagen schützen wir uns selbst. Wir möchten ja dazugehören. Aus Angst vor Ablehnung zeigen wir uns nicht mehr so, wie wir wirklich sind. Doch dann haben die anderen Menschen keine Möglichkeit, uns so anzunehmen, wie wir eben sind.