«Sozialisation bezeichnet den Prozess, dass ich es schaffe, in der Gesellschaft leben kann, mich einfügen kann und mich innerhalb einer Gesellschaft gut entwickeln kann. Ich muss mich zurechtfinden als Individuum, ich muss mich persönlich entwickeln und gleichzeitig aber auch in die Gesellschaft integrieren.» So erklärt die Psychotherapeutin Julia Wegmann Sozialisation.
Der US-amerikanische Erziehungswissenschaftler Robert J. Havighurst (1900–1991) entwarf das Konzept der Entwicklungsaufgaben. Jede Gesellschaft stellt bestimmte Lernanforderungen, die alle Mitglieder dieser Gesellschaft meistern müssen, damit sie sich gut integrieren können. «Für jeden Lebensabschnitt gibt es bestimmte Entwicklungsaufgaben, die sich uns stellen», sagt Wegmann.
In ihrer Praxis erlebt sie, dass viele Jugendliche Mühe mit ihren Lebensaufgaben haben. «Die Aufgaben sind uns in der Regel unbewusst. Das können wir als Stressfaktoren von aussen wahrnehmen.»
Wegmann hat sehr viele Jugendliche in ihrer Therapie, bei denen die Berufswahl ein grosser Stressfaktor darstellt. Oder das Finden der eigenen Persönlichkeit. «Gleichzeitig ist oft die Frage, was ich mit meinem Leben tue. Dann ist die Frage, ob ich bereit bin, diese gesellschaftlichen Anforderungen zu erfüllen.»
Im besten Fall entwickeln wir uns weiter und können uns gleichzeitig integrieren. Manchmal stören Risikofaktoren oder Einflüsse diesen Prozess, beispielsweise unsere Herkunftsfamilie, unsere soziale Schicht, die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen.
Auch wenn die Eltern einen grossen Einfluss auf die Kinder haben, kommen mit der Zeit immer mehr externe Einflüsse dazu: beginnend mit Kita oder Spielgruppe, spätestens im Kindergarten.
Die Eltern haben in der Volksschule keine Kontrolle mehr über diese Einflüsse. Hier ist Vertrauen gefragt: «Es muss Vertrauen in unser Bildungssystem da sein. Ich muss ein Vertrauen zu den Betreuungspersonen haben, die sich um mein Kind kümmern. Und natürlich haben wir auch bestimmte Werte in der Schweizer Kultur, die weitergegeben werden.»