Von Andreas Meier
Torsten Hartung scheint im Leben nicht willkommen zu sein. «An Geld hat es in meiner Kindheit nie gefehlt. Aber an Liebe»: So erlebt der verurteilte Mörder keine Geborgenheit von seinen Eltern. Und seine Schritte führen ihn schon in jungen Jahren auf schnellem Weg dorthin, wo er sich selbst später als «bösartigsten Menschen, dem ich je begegnet bin» bezeichnet.
Schon früh muss der junge Torsten Hartung merken, dass seine Eltern ihn nicht wollen. Vater und Mutter wünschen sich eine kleine Familie mit einem Kind und Torsten Hartung als zweiter Sprössling durchkreuzt ihre Pläne. «Wir wollten dich nicht haben. Du warst ein Unfall und sahst hässlich aus.» Der kleine Junge erfährt in dieser Familie keine Liebe, weder von der Mutter noch vom Vater. Er ist nicht willkommen.
Unterwegs
Torsten Hartung schlägt sich durch sein Leben als Jugendlicher und landet nach dem ersten Gefängnisaufenthalt schnurstracks wieder im Knast. Mit denselben Anklagepunkten wie beim ersten Mal: Körperverletzung und Raub. Nach dreizehn Monaten ist er wieder im Freien, aber weiss nicht wohin. Er klopft bei seinen Eltern an, doch die Situation ist noch die gleiche: Er ist nicht willkommen.
Der Kleinkriminelle wird zu einem Grossen in der Szene. Die Bande um Torsten Hartung ist dick drin im Business der Autoschieber. Die teuren Luxuskarossen werden in Deutschland geklaut und dann in den Osten abgesetzt. Doch einer aus der Bande kommt Boss Hartung quer. Er will hinter seinem Rücken Geschäfte machen. Torsten Hartung bekommt Wind davon und erschiesst ihn kaltblütig in einem abgelegen Waldstück. Er ist nicht mehr willkommen.
In Einzelhaft
Nach der Autoschieberbande wird international gefahndet und ein Ausflug nach Schweden kommt Hartung teuer zu stehen: Er wird während der Grenzkontrolle verhaftet und verbringt die nächsten 20 Jahre seines Lebens im Innern von Haftanstalten.
Die Einzelhaft ist es dann aber, welche aus dem Mörder einen neuen Menschen macht.
In der Einzelzelle macht sich Torsten Hartung viele Gedanken und Reue beginnt aufzukommen. Reue über die vielen von ihm verletzten Menschen, seine düsteren Machenschaften und nicht zuletzt bereut er seinen Mord. Dann hört er aus dem Nichts eine liebevolle Stimme: «Ich weiss.» – «Ab da wusste ich, dass es Gott wirklich gibt. Er war bei mir.» Ein Gott, der ihm vergibt und sein Leben um 180 Grad dreht. Ein Gott, bei dem Torsten Hartung willkommen ist.
Zu Hause
Heute lebt Torsten Hartung zusammen mit seiner Frau in einem selbst renovierten Haus in Sachsen. Aber sie leben dort nicht alleine. Die beiden nehmen junge Straftäter, die aus der Haft entlassen wurden, in ihre Familie auf. Sie nehmen sich ihnen an, hören zu und helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Torsten Hartung gibt den Jugendlichen ein Zuhause und sagt ihnen damit: «Du bist willkommen!»