Von Ruedi Josuran
Das Neue Testament bringt es im fünften Kapitel des ersten Thessalonicher-Briefs auf den Punkt: «Seid allezeit fröhlich, betet ohne Unterlass, seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.»
«Es gibt immer Grund dankbar zu sein», sagte auch schon meine Grossmutter immer wieder. Eine Frau aus dem italienischen Norden, die zehn Kinder grossgezogen hatte. Und doch gibt es diese Tage mit Fragen wie: Ist es nicht etwas lebensfremd, so unrealistisch dankbar zu sein in allen Dingen? Tage, an denen das Gefühl vorherrscht, ungerecht behandelt zu sein, etwas zu verpassen, vom wahren Leben abgeschnitten zu sein oder nicht da zu sein, wo die Musik spielt im Leben. Tage, an denen das Vergleichsdenken die Oberhand hat. Instagram und Facebook lassen grüssen als perfekte Brutstätte für Neid und Missgunst, gestützt durch Statistiken wie die Anzahl Likes, Followers, Friends usw. Anspruchsdenken und zu viele Optionen können mich auf die Spur der Undankbarkeit führen.
Ich will aber auf die Spur der Dankbarkeit zurück. In einem Selbstversuch wage ich, mich in Dankbarkeit zu üben:
- Achtsamkeit üben: Ich nehme mir Zeit, um bewusst im Moment zu sein. Oft übersehen wir die kleinen Freuden des Lebens, wenn wir zu sehr in Gedanken über Vergangenheit oder Zukunft versunken sind. Indem wir uns auf das Hier und Jetzt konzentrieren, werden wir empfänglicher für die Schönheit der kleinen Dinge.
- Tagebuch führen: Ich halte täglich fest, wofür ich dankbar bin. Dies kann ein kurzes Tagebuch sein, in dem ich die positiven Erfahrungen und kleinen Freuden des Tages festhalte. Das bewusste Reflektieren über diese Dinge kann meine Dankbarkeit verstärken.
- Perspektivenwechsel: Ich versuche, meine Sichtweise zu ändern. Statt mich auf das zu konzentrieren, was fehlt, fokussiere ich mich darauf, was ich bereits habe. Ich denke über die Dinge nach, die ich oft als selbstverständlich ansehe, aber die eigentlich wertvoll sind.
- Kleine Momente geniessen: Ich nehme mir die Zeit, um die kleinen Momente des Alltags bewusst zu geniessen. Das kann ein Sonnenuntergang sein, eine Tasse Tee, ein Lächeln von jemandem oder ein gutes Buch. Ich wertschätze diese Augenblicke und finde Freude in ihnen.
- Dankbarkeitsrituale entwickeln: Ich schaffe kleine Rituale oder Gewohnheiten, die meine Dankbarkeit fördern. Das kann zum Beispiel sein, jeden Morgen drei Dinge aufzuschreiben, für die ich dankbar bin, oder abends kurz innezuhalten und den Tag Revue passieren zu lassen.
- Mit anderen teilen: Ich teile meine Dankbarkeit mit anderen Menschen. Zeige ihnen, dass ich ihre Anwesenheit und Unterstützung schätze. Dies stärkt nicht nur meine eigenen Gefühle der Dankbarkeit, sondern ruft auch positive Reaktionen von anderen hervor.
Die Ordensfrau Ursula Hertewich schreibt in einem Aufsatz: «Dass wir auf dieser Welt leben, haben wir nicht uns selbst zu verdanken. Es ist ein Geschenk. Und ob ich mit diesem Geschenk zufrieden bin oder nicht und ob es mir gefällt oder nicht, ein Umtausch ist ausgeschlossen. Ich habe nur dieses Leben und bin einzigartig.»