Von Michelle Boss
Die kleinen Entscheidungen, die der Alltag mir aufzwingt, überfordern mich oft. Wähle ich im Restaurant den Black Angus Burger, den Steinpilzrisotto oder doch lieber das vegane Süsskartoffel-Curry? Welche Serie beginne ich als Nächstes auf Netflix? Lege ich den Weg zum Einkaufen mit dem Velo zurück oder gehe ich zu Fuss?
Von all diesen Dingen hängt nur wenig ab. Treffe ich die falsche Entscheidung, bereue ich das womöglich kurzfristig, aber auf längere Sicht erwächst mir kein Nachteil daraus. Und dennoch tue ich mich manchmal extrem schwer damit. Am Ende treffe ich solche Entscheide in der Regel aus dem Bauch heraus.
Aber es gibt ja auch viele Entscheide, die weitreichendere Folgen haben. Die vielleicht das gesamte zukünftige Leben beeinflussen, auf eine Art und Weise, die ich noch gar nicht absehen kann. Der Entscheid für eine bestimmte Ausbildung beispielsweise, oder zu heiraten, einen neuen Job anzutreten, ein weiteres Kind zu bekommen, in eine andere Stadt zu ziehen …
Die grossen Veränderungen im Leben werden oft von einer Entscheidung eingeläutet. Wohl auch deswegen erscheint es mir durchaus sinnvoll, grösseren Entscheidungen mit einem gewissen Respekt zu begegnen. Da traue ich meinem Bauchgefühl dann nicht als alleinigem
Ratgeber. Lieber sammle ich Fakten, um fundiert entscheiden zu können. Es kam allerdings auch schon vor, dass ich Pro- und Kontralisten verfasst habe – und mich am Ende dennoch für die Seite entschied, für die es weitaus weniger Argumente gab. Das Bauchgefühl gab also letztlich doch den Ausschlag. Aber vielleicht half die rationale Vorarbeit dabei, überhaupt zu hören, wozu mein Bauch mir rät.
Bei dieser Vorarbeit spielt auch mein Glaube an Gott eine Rolle. Am liebsten wäre es mir jeweils, Gott würde mir die Arbeit abnehmen und direkt aufzeigen, wie ich am besten entscheide. Das ist auch schon vorgekommen, allerdings nicht allzu häufig. Zur rationalen Entscheidungsfindung gehört für mich aber auch, meine Argumente mit den Werten abzugleichen, die mir aufgrund meines Glaubens wichtig sind. Und schliesslich vertraue ich auch darauf, dass Gott meinem Bauchgefühl einen Schubs in die richtige Richtung zu geben vermag.
Am schwierigsten finde ich allerdings Entscheidungen, die der Verstand schon längst gefällt hat – aber das Herz hinkt nach.
Sie sind besonders schmerzhaft. Die Vernunft gebietet es, einen bestimmten Schritt zu tun. Aber innerlich wehren wir uns mit «Händen und Füssen» dagegen. Vielleicht, weil wir uns von Liebgewonnenem verabschieden müssen. Oder weil uns ein Neuanfang bevorsteht, der Mut erfordert.
Solche Entscheidungen schiebe ich gern noch eine Weile vor mir her. Irgendwann aber kommt der Moment, in dem ich spüre: Jetzt hat mein Herz nachgegeben; jetzt ist der Entscheid innerlich gefallen. Dann mache ich so schnell wie möglich Nägel mit Köpfen, um den Moment nicht verstreichen zu lassen.
Ist der Entscheid erst gefallen, tut das zwar weh, aber es stellt sich bei mir auch Erleichterung ein. Die Gewissheit, richtig entschieden zu haben, erfüllt mich mit innerer Ruhe, die sich wie Watte um den Stachel legt und den Schmerz dämpft.
Nun gilt es, einen letzten Entscheid zu fällen: Den Entscheid, mich nachträglich wegen eines Entscheids nicht zu zerfleischen. Selbst wenn er sich als Fehlentscheid entpuppen sollte.