Plötzlich hörte er, wie die Türe vom Nachbarshaus aufging. Meryem trat heraus und rief ihm zu: «Ich habe Kekse gebacken. Du kannst gerne ein paar essen und eine Tasse Kakao trinken.» Das hörte sich gut an. Er ging hinüber, zwängte sich zwischen dem Türrahmen und dem dicken Bauch von Meryem durch und folgte dem Duft der Schokoladenkekse in die Küche. «Wo ist denn dein Mann?», wollte Bastian wissen. «Der ist in der Türkei. Aber wenn das Baby kommt, ist er sicher wieder da», lachte Meryem. Skeptisch schaute der Junge auf ihren Bauch. «Bist du sicher?» Meryem nickte. «Heute Morgen hatte ich zwar erste Wehen, aber ich glaube das ist normal.» – «Hm!», meinte Bastian nicht ganz überzeugt. Doch als seine Nachbarin ihm den Teller mit den Keksen hinstreckte, hatte er den dicken Bauch vergessen und langte tüchtig zu. Meryem drehte sich um und wollte gerade die Milch aus dem Kühlschrank holen, als sie plötzlich stöhnte, die Hände um den Bauch legte und sich keuchend nach vorne beugte. Mit weit aufgerissenen Augen schaute Bastian Meryem an. «Was ist?» Durch zusammengebissene Zähne presste sie hervor: «Vielleicht will das Baby doch etwas früher kommen.» – «Ich hole Mama!», rief Bastian, rannte los und kam kurz darauf mit seinen Eltern im Schlepptau aus dem Haus gerannt. Meryem wartete bereits mit einer kleinen Tasche auf sie. Der Regen hatte zugenommen. Schnell stiegen alle ins Auto. Papa drehte den Schlüssel, doch nichts passierte. Er versuchte es wieder und nochmals. Vergeblich. Frustriert schlug Papa mit der Hand auf das Steuerrad des alten Fahrzeuges. «Habt ihr ein Auto Meryem?» – «Nein», presste sie hervor.Das Krankenhaus war nicht weit. Doch zu Fuss würde es Meryem wohl nicht schaffen. Plötzlich hatte Bastian eine Idee. Er sprang aus dem Auto und rannte in die Garage. Kurz darauf kam er mit einem Bollerwagen zurück. Ein grosses Kissen lag darin. «Meryem, setz dich hinein, wir ziehen dich!» Ungläubig starrte die Schwangere auf den Jungen und dann auf den Bollerwagen. Sie schüttelte den Kopf, doch dann stöhnte und keuchte sie und aus dem Kopfschütteln wurde ein Nicken. «Okay!», sagte sie und hievte sich aus dem Auto. Dann liess sie sich mit Mamas und Papas Hilfe in den Bollerwagen plumpsen. Papa zog den Wagen, Mama schob, und Bastian hielt den Schirm über Meryem. Während Meryem immer wieder ihr Gesicht verzog und stöhnte, schnauften Mama und Papa um die Wette. Auf einmal lächelte Meryem. «Weisst du Bastian, was mein Name bedeutet?» Bastian schüttelte den Kopf. «Maria!» – «Und weisst du, wie das Krankenhaus heisst, in das wir dich bringen?», fragte Mama. Nun schüttelte Meryem den Kopf. «Bethlehem!» Bastian kicherte. «Habt ihr schon einen Namen für das Baby?», meldete sich nun auch Papa zu Wort. «Ich wüsste da noch einen!»
Als sie dann irgendwann alle im Krankenhauszimmer sassen und die kleine Angelina bestaunten, fühlte sich Bastian so richtig glücklich.