Bewusst allein sein und die Einsamkeit suchen: Das können Momente sein, wo wir Schätze entdecken. Die psychosoziale Beraterin Bea Grimm nimmt sich jeden Morgen ganz bewusst Zeit für die Stille. Sie sitzt auf dem Sofa und schaut aus dem Fenster. In dieser Zeit lässt sie alle Gedanken und Emotionen zu, alles darf sein.
Momente der Stille auch im Berufsalltag
Diese stillen Momente baut sie auch in ihrem Beratungsalltag ein. «Zwischen zwei Klientinnen nehme ich mir immer Momente der Stille. Etwa zwei Minuten, wo ich diejenige, die gegangen ist, loslasse, und diejenige, die neu kommt, innerlich begrüsse.» Damit sich Grimm auf die neue Klientin einlassen kann und die vorherige das neue Gespräch nicht beeinflusst. Auch sonst baut sie sich während ihrer Arbeit bewusst kurze Auszeiten ein.
Was am Morgen und tagsüber beim Arbeiten gut funktioniert, ist für Grimm abends nicht gleichermassen umsetzbar und manchmal sogar eine Herausforderung. «Aber ich habe einen grossen Klangpark zu Hause: Klangschalen, Trommeln, Gong, Handpans, Regenrohre, Ocean Drums.» Wenn sie die Ruhe nicht so gut aushält, spielt sie auf den Instrumenten. Manchmal vergisst sie dabei sogar komplett die Zeit.
Abschalten kann Bea Grimm aber auch, wenn sie ein Buch liest oder sich einen Film schaut. Einsamkeit und Stille sind für sie nicht gleichbedeutend mit Abschottung. Es sei kein eremitisches Leben, aber doch eines mit ganz viel Stille.
Stille und Einsamkeit ermöglichen die Auseinandersetzung mit uns selbst
Auch wenn Stille wertvoll ist, kann es trotzdem schwierig sein, sie auszuhalten. Es können Gedanken und Gefühle in uns hochkommen, die schwierig sind und die wir nicht verarbeitet haben. Wir sind dann gezwungen, uns mit ihnen bewusst auseinanderzusetzen.
«Auch in Paarbeziehungen fühlen sich viele Menschen immer wieder einsam, auch in grösseren Gemeinschaften. Das Alleinsein ist kein Garant für Einsamkeit. Gemeinschaft ist kein Garant gegen Einsamkeit», gibt Grimm zu bedenken. Wir sollen das eine nicht gegen das andere ausspielen.
In der Stille und der Einsamkeit sollen wir uns selbst ein Gegenüber sein. In solchen Zeiten haben wir die Chance, uns selbst wirklich gut kennenzulernen. Wenn dann negative Gedanken und Gefühle hochkommen, sollen wir sie laut Grimm nicht wegdrücken und negativ bewerten, sondern zulassen und hinschauen. Wenn mir uns mit ihnen auseinandersetzen, kommen wir Dingen auf die Spur, die uns sonst nicht bewusst sind und die wir im Alltag auf die Seite schieben.