«Ja, so sieht das aus, wenn man Jahre lang dem Alkohol verfallen war. Der war auch schuld an meinem Unfall, welcher mich so zugerichtet hat, aber seit langem schon trinke ich keinen Tropfen mehr.» Das glaubte ich ihm auch aufgrund der fehlenden Alkoholfahne aufs Wort. «Trotzdem», fuhr er fort, «traue ich mich sie zu fragen, ob sie vielleicht fünfzig Cent für mich hätten, ich bin völlig abgebrannt diesen Monat und habe einfach ein wenig über meine Verhältnisse gelebt.» Was bedeutete wohl für diesen Menschen «über die Verhältnisse gelebt», schoss es mir – bereits sicher, ihm ein wenig Geld zu geben – durch den Kopf. Wie weit unten musste man angekommen sein, um sich zu trauen, andere Menschen anzubetteln? «Hör mal, Michael», hörte ich mich sagen, «wenn ich jedem, der hier an mein Fenster kommt, Geld geben würde, dann ginge ein grosser Teil meines Lohnes nur dafür drauf.» Sofort wies mich eine innere Stimme auf meine Übertreibung hin. Hör auf, dich in deinem Gutmenschentum zu suhlen, schien sie mir zuzuflüstern.
Michael antwortete: «Das verstehe ich, das sind bestimmt die Leute aus dem Wohnheim hier um die Ecke, wo ich derzeit auch lebe. Aber versprochen, wenn du mir fünfzig Cent gibst, lass ich dich in Zukunft in Ruhe, ich habe ja nichts von Wert, was ich dir dafür geben könnte.» Ich holte mein Portemonnaie heraus und gab ihm zwei Euro. «Alter, zwei Euro, ich danke dir, du bist ein netter Mensch.»