«Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?», lautet ein humoristisches Sprichwort. Da ist etwas Wahres dran, denn ab und zu wird uns bewusst, dass wir uns nicht in allen Situationen gleich verhalten, obwohl wir ja dieselbe Person sind.
Die Psychologin Susanne Gisler bemerkt dazu: «Man betont in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Aspekte von sich. Das kann auch über Lebensphasen hinweg so sein. Es kann sein, dass ein ganz anderer Teil meiner Identität sehr stark zum Vorschein kommt.» Unser Verhalten ist also von der Situation oder von der Rolle abhängig. «Das hat sehr viel mit dem Kontakt, also mit dem Umfeld zu tun, mit Erwartungen, die man vielleicht auch nur persönlich wahrnimmt.»
Wenn man feststellt, dass man nicht mehr sich selbst ist, dann lohne es sich, gut hinzuschauen, meint Gisler. Es ist nämlich gut möglich, dass wir uns selbst wegen der sozialen Erwartungen ein Stück weit verloren haben. «Das kann je nach Kontext, in dem man sich bewegt, tatsächlich sehr anspruchsvoll sein. Gerade auch, wenn Werte vielleicht nicht übereinstimmen.»
Können wir unsere Identität überhaupt aktiv verändern? Wir können uns für ein anderes Verhalten entscheiden und etwas ausprobieren. 90 Prozent unserer Persönlichkeit können wir allerdings nicht ändern, erklärt Gisler.
Bei Veränderungen spielen auch äussere Einflüsse eine grosse Rolle. Wenn beispielsweise eine langjährige Partnerschaft zerbricht, kann dies die Identität und die Selbstwahrnehmung stark beeinflussen. «Weltanschauungen und Überzeugungen können erschüttert werden. Das haben wir uns gar nicht ausgewählt. Das können wir auch nicht willentlich bewältigen.»
Ein kleiner Teil von uns ist also veränderbar, ein grosser Teil jedoch nicht. Es ist also wichtig, dass wir uns selbst akzeptieren statt optimieren und lernen, mit der Persönlichkeit umzugehen, die wir eben haben. Susanne Gisler ist der Auffassung, dass wir mit uns selbst im Reinen sein sollen.