Der Bibeltext in dieser Episode ist Psalm 13: «Herr! Hast du mich für immer vergessen? Wie lange willst du dich noch verbergen? Wie lange sollen mich die Sorgen quälen, soll der Kummer Tag für Tag an meinem Herzen nagen? Wie lange dürfen meine Feinde mich noch bedrängen? Sieh mich doch wieder an, HERR! Gib mir Antwort, du mein Gott! Mach es wieder hell vor meinen Augen, damit ich nicht in Todesnacht versinke! Sonst sagen meine Feinde: Den haben wir erledigt und jubeln über meinen Sturz. Doch ich verlasse mich auf deine Liebe, ich juble über deine Hilfe. Mit meinem Lied will ich dir danken, HERR, weil du so gut zu mir gewesen bist.»
Darf ich Gott anklagen? Ihm meinen Frust vor die Füsse knallen, so ganz ungefiltert und emotional? In der heutigen Folge diskutiert Host Joni Merz diese Fragen mit seinen beiden Gästen Thomas Zingg und Mirjam Merz.
Die Grundlage dazu liefert der Psalm 13. Ein verhältnismässig kurzer Klagepsalm mit viel Potenzial für einen Meinungsaustausch. Sogar so viel Potenzial, dass zum Schluss dann auch die Redezeit von elf Minuten nicht ganz ausreicht.
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Expertinnen und Experten
Thomas Zingg ist Pastor der FEG Winterthur und dort Teil der Gemeindeleitung. Ausserdem engagiert er sich im Vorstand der Evangelischen Allianz Winterthur. Nebenbei unterrichtet er das Modul «Mein Leitungsstil» am IGW und studiert Theologie im Master-Studiengang. Thomas ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine Freizeit verbringt er gerne mit der Familie, beim Lesen oder beim Sport treiben (und schauen).
Mirjam Merz ist Pastorin in der FEG Winterthur. Sie predigt, leitet die Gebetsarbeit und die kreativen Bereiche der Kirche. Sie liebt gute Gemeinschaft, eine Tasse feinen Kaffee oder den Duft von frisch geschliffenem Holz. In ihrer Freizeit restauriert sie ab und an ein Möbelstück oder verschönert die kleinen Dinge des Lebens. Drei Stichworte, die zu ihr passen: kreativ, authentisch, tiefgründig. Mirjam ist verheiratet, hat zwei Kinder und hat am Theologisch Diakonischen Seminar Aarau studiert. Zudem hat sie an der SAMTS eine Ausbildung zur Schauspielerin absolviert.
Host
Joni Merz
Von Reto Nägelin
Ich rede öfters mit mir selber. Das irritiert mein Umfeld immer wieder mal. Die einen wissen nicht, ob ich sie anspreche, und die anderen reagieren auf etwas, das gar nicht für sie gedacht ist. Ich bin ein Lautdenker. Durch dieses Reden komme ich in meinen eigenen Gedanken weiter.
Ich habe auf einer Andachts-Seite gelesen, dass bei den Psalmen der innere Dialog mit anderen Menschen geteilt wird. Genau das mache ich ja auch, wenn ich laut nachdenke und Selbstgespräche führe. Und beim Beten mache ich es gegenüber Gott.
Den inneren Dialog mit anderen teilen: Dazu ermutige ich im neuen Kirchenformat «Jam Church», an dem ich beteiligt bin. Es braucht Mut, aber es bringt Menschen weiter – unaufdringlich und authentisch.
Psalm 23 ins sommerliche Wanderleben übersetzt: Gott, der Hirte, der zu Alpweiden und Bergbächen führt. Und auf Gott ist Verlass. Doch an einer Stelle hinken die Metaphern. Denn wenn es ausserhalb des sicheren Weges plötzlich steil hinab geht, dann kann das bei manchen Angst auslösen. Aber die Angst ist dabei nicht nur schlecht. – Von Evelyne Baumberger
Es gibt viele falsch zitierte und falsch interpretierte Zitate. Eines davon ist «Carpe Diem». Viele übersetzen es mit «Nutze den Tag» und interpretieren es mit «Kaufet die Zeit aus». Und dann folgt eine Predigt zum Thema «Komfortzone verlassen».
Dabei steckt hinter diesem Zitat eine Wohltat für die Seele, garantiert stressfrei. Übersetzt lautet es nämlich «Pflücke den Tag». – Von Verena Birchler
Im Psalm 125 wünscht sich der Psalmschreiber: «Herr, tu denen Gutes, die Gutes tun!» Was für ein wunderbares Gebet und was für ein grossartiger Wunsch. − Von Reto Nägelin
Wir haben verschiedene Gründe dankbar zu sein. Darf man da als Christ überhaupt klagen? «Ich finde es immer noch eine der bemerkenswertesten Tatsachen, dass in dem Gebetsbuch, welches uns in der Bibel in den Psalmen überliefert ist, ungefähr die Hälfte aller Psalmen Klagepsalmen sind», sagt der Theologe Manuel Schmid. Menschen würden in ihrer Zerbrochenheit vor Gott kommen und ihr Leid und ihr Unglück vor Gott klagen.
Schmid bezeichnet es als Tragödie, dass das Klagen vor Gott in den Gottesdiensten keinen regelmässigen Raum einnimmt. Auch in unserer gesättigten Wohlstandsgesellschaft hätten Menschen «zuhauf Grund zum Klagen». Trotz unseres hohen wirtschaftlichen Niveaus sind wir nicht immer glücklich.
Der Theologe bezeichnet es als Geheimnis, dass wir unser Leid und unser Unglück vor Gott als Klage äussern können. «Gott hört sich das an und erträgt es ganz offensichtlich.» So gesehen sind die Klagepsalmen für uns eine Ermutigung zum Beten.