Von Ruedi Josuran
Als Journalist war ich einige Jahre bei Gerichtsverhandlungen hautnah dabei. Die Frage nach «Ist das Urteil gerecht?» hat mich häufig beschäftigt. Als Sportberichterstatter später fand ich oft das Endresultat ungerecht, die Schiedsrichterentscheide einseitig. Ich musste aber meine Meinung zurückhalten.
Schon als kleines Kind empfand ich es als ungerecht, wenn sich die körperlich Stärkeren durchsetzen konnten. Wenn wir über den eigenen Tellerrand schauen, werden im Zusammenhang mit kriegerischen Konflikten Fragen gestellt wie «Ist das eine angemessene Reaktion auf erfahrene Gewalt?»
Ungerechtigkeiten sind Teil des Lebens. Zurück zu unserem Alltag: Bei der Parkplatz-Suche, den besten Plätzen am Strand, den Nachbarschaftskonflikten oder wenn wir uns auf eine Stelle bewerben, empfinden wir manches als ungerecht. Wie wir damit umgehen, kann allerdings einen grossen Unterschied machen. Mit Ungerechtigkeiten im Alltag umzugehen, kann herausfordernd sein. Hier einige Gedanken aus meinem eigenen Notizbuch:
In meinem Alltag ist Gleichheit der zentrale Ausgangspunkt für Gerechtigkeit. Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung. Ich versuche mich an die «Goldene Regel» zu halten: «Alles nun, was ihr wollt, dass es euch die Menschen tun, das sollt auch ihr ihnen tun.» (Matthäus 7,12) Ich frage mich oft am Abend: «Habe ich davon etwas gelebt? Oder habe ich das vor allem von anderen erwartet?»
Als Mensch stosse ich immer wieder an Grenzen. Im Neuen Testament wird das auf den Punkt gebracht: Gerechtigkeit kommt nicht «durch das Gesetz» (Galater 2,21; Philipper 3,6.9), sondern durch den Glauben, dass Gott den Menschen durch seine Gnade «rechtfertigt». Wer mit diesem Glauben, d.h. «mit leeren Händen vor Gott steht», gilt vor Gott als «gerecht» (Römer 3,19–28). Auf der Grundlage dieser geschenkten Gerechtigkeit können wir Herausforderungen begegnen und uns dem Leben stellen.