Von Verena Birchler
In diesem Jahr blieben viele während ihren Ferien in der Heimat und erlebten, dass der Sommer in der Schweiz locker fünf Sterne verdient hat. Trotzdem ist die Lust auf ferne Länder gross, denn «Reisen bildet». Deshalb sei hier ein kleiner Exkurs in die Geschichte des Reisens erlaubt.
Im Mittelalter reisten vor allem Kaufleute. Sie reisten viel, mit klaren Zielen vor Augen. Die Pilger taten es ihnen gleich, wenn auch aus anderen Motiven. Damals war die Natur das Haupthindernis auf den langen Wegen. Unterwegs die Orientierung zu verlieren, hätte auch das Todesurteil bedeuten können. Denn für Wegelagerer waren gerade Kaufleute gute Beute. «Reisen bildet» waren damals Aufzeichnungen von Kaufleuten, die mit ihrem Wissen über Wege, Stege und Herbergen über viel Informationen verfügten.
Im 18. Jahrhundert wurden Bildungsreisen «en vouge». Reiche und Adlige entdeckten die Lust auf ferne Länder. Sie gingen mit riesigen Reisekoffern auf eine «Grand Tour» meistens quer durch Europa. Diese Reisen dauerten einige Monate. Der Adel liess von unterwegs viele Souvenirs nach Hause schicken, die er dann später in seinen Landschaftsgärten und Herrenhäusern ausstellte.
Im 19. Jahrhundert wurden dann mit den ersten Luxusreisen auch die Ziele ausgefallener. Man hatte Lust auf Abenteuer. So ging es dann mit dem Orient-Express und den ersten Kreuzfahrtschiffen gen Osten, nach Istanbul, nach Ägypten oder bis nach China. Man reiste in feinster Gesellschaft, extravaganten Kleidern und gerne auch mit ein, zwei Schrankkoffern.
Doch diesen Luxus konnten sich nicht alle leisten. Während der Industrialisierung arbeiteten oder tranken sich viele in den Tod.
Der Alkoholismus hinterliess katastrophale Spuren. In jener Zeit zeigte der baptistische Prediger Thomas Cook ein grosses Herz für soziale Themen.
Thomas Cook war ein leidenschaftlicher Christ. Wie die meisten Christen jener Zeit war er ein politischer Mensch. Er demonstrierte aktiv gegen den Alkoholmissbrauch und wollte, dass auch Menschen aus der Arbeiterklasse einmal etwas anderes erleben konnten.
So organisierte Cook am 5. Juli 1841 eine Eisenbahnreise durch die englischen Midlands zu einem Abstinenzler-Treffen. Es waren einfache Eisenbahnwaggons ohne bequeme Sitzgelegenheiten. Cook wollte die Menschen von der Ginflasche wegbringen und ihnen zeigen, dass es auch viel Schönes zu sehen gibt. Sein Motto für diese Aktion war: «Menschen mit Menschen und Menschen mit Gott zu verbinden.» Dabei war Cook auch ganz pragmatisch. Denn im Reisepreis von einem Schilling war auch noch ein Schinkenbrot und eine Tasse Tee enthalten. Die erste Gruppenreise war geboren. Bei allen weiteren Angeboten war ihm wichtig, dass seine Angebote immer für verschiedene Kulturen und Klassen funktionierten. Denn trotz seiner Erfolge blieb Cook dem sozialen und christlichen Gedanken verbunden, dass auch Menschen aus der Arbeiterklasse mehr von der Welt sehen sollten. Denn «Reisen bildet» gilt für alle.