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Auschnitt des Buchcovers «Anna Schlatter» von Marianne Jehle-Wildberger
Auschnitt des Buchcovers «Anna Schlatter» von Marianne Jehle-Wildberger

Wer war eigentlich … Anna Schlatter?

Sie lebte in der Moderne, als es dieses Wort noch gar nicht gab.
Publiziert: 15.10.2019

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Anna Schlatter lebte in der Moderne, als es dieses Wort noch gar nicht gab. Sie lebte Weite, als die Reformation immer noch um Akzeptanz im katholisch geprägten St. Gallen kämpfte. Und sie pflegte Kontakte zu Männern, die damals kaum mit Frauen theologische Fragen diskutierten. Anna Schlatter war eine Frau, die Konventionen und Grenzen sprengte.

Im Zentrum ihres Lebens war immer die Überzeugung, dass Theologie nie in Stein gemeisselt sein sollte. Denn eine solch festgefahrene Haltung verhinderte ihrer Meinung nach eine echte Christusbeziehung. Aus einer Unternehmer- und Politikerfamilie stammend, war Anna Schlatter von klein auf gewohnt, zu diskutieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Im frühen 19. Jahrhundert war dies eher aussergewöhnlich, und somit gehörte sie zu den bedeutenden Schweizer Frauen ihrer Zeit. Zusammen mit ihrem Mann Hector lebte sie früh eine Ökumene, denn ihre Glaubensvorstellungen waren sehr unterschiedlich. Trotzdem war ihre Ehe glücklich und von gegenseitigem Respekt geprägt.

Anna Schlatter wurde 13 Mal Mutter, wobei drei Kinder bereits früh starben. Mit dieser Kinderschar wäre diese Frau eigentlich ausgelastet gewesen. Trotzdem übernahm sie zu weiten Teilen auch die Verantwortung für einen Laden in der Altstadt von St. Gallen. So war sie also eine berufstätige Frau, lebte die Doppelbelastung von Familie und Beruf und mischte sich in Glaubens- und Gesellschaftsfragen ein – bereits weit vor dem 21. Jahrhundert. Sie hätte gut in unsere Zeit gepasst. Anna Schlatter war geprägt von einer Glaubenshaltung, die immer auch die Schwächsten im Fokus hatte, unabhängig welcher Kirche diese angehörten: «Ich machte es mir von jeher zur Pflicht, Katholiken wie Protestanten mit Rat, Hilfe und Trost zu dienen, wo ich konnte. Ohne zu fragen: ‹Zu welcher Kirche gehörst du?›.» Auch in Erziehungsfragen hatte sie durchaus moderne Ansichten. In ihrer Pädagogik orientierte sie sich an der Bibel und am Vaterbild Gottes. Weil Gott Menschen wie ein guter Vater behandelt, war es für Anna Schlatter klar, dass auch Väter in die Kindererziehung eingebunden sein müssen. Dieser weite Horizont prägte auch ihre Kinder, die den Glauben ihrer Mutter nie als einengend empfunden haben. In dieser Zeit befreite diese Familienunternehmerin sich immer mehr vom engen Glauben ihrer Zeit und suchte intensiven Kontakt zu Protestanten und Katholiken. Ihre Briefkontakte reichten bis weit über die Schweizer Grenze hinaus. Führende theologische Persönlichkeiten besuchten die aktive Denkerin in St. Gallen; und sie selbst unternahm auch Reisen nach Württemberg, Wuppertal, Tübingen und an viele andere Orte. Für die damalige Zeit waren diese Kontakte aussergewöhnlich. Ihre Briefe wurden geschätzt, da es ihr gelang, weise und pointiert Sachverhalte zu erläutern. Nur einmal reklamierte ihr Mann Hector, weil die Portokosten zu hoch wurden. Sie reagierte pragmatisch auf diesen Einwand, indem die Schrift in ihren Briefen immer kleiner wurde.

Als Laientheologin betonte sie immer wieder die grenzenlose Liebe Gottes und seinen Willen zur Versöhnung: «Das ist nicht mein Weg, dies immerwährende sich selbst ansehen, beurteilen, richten … Ich werfe mich lieber als Verurteilte mit einem Sprung in die Arme seiner Barmherzigkeit.»

Buchtipp

Marianne Jehle-Wildberger

«Anna Schlatter-Bernet»

Eine weltoffene St. Galler Christin

Anna Schlatter-Bernet war eine der wenigen bedeutenden Schweizer Frauen des frühen 19. Jahrhunderts. In einem langen Prozess befreite sie sich von ihrer ursprünglich engen Frömmigkeit und drang zu einem tiefen persönlichen Christusglauben durch.

Theologischer Verlag Zürich (TVZ)

ISBN 978-3-7291-1104-2

208 Seiten

CHF 38.00

 

Serie

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