Eine der beliebtesten Rollen auf der Bühne und im Leben ist die Opferrolle. Man fühlt sich ungerecht behandelt, notorisch übergangen und benachteiligt.
Die psychosoziale Beraterin Karin Rappo kennt diese Rolle, denn sie steckte selbst lange drin. Sie weiss im Nachhinein jedoch, dass sich das Leben ausserhalb besser anfühlt.
Opferrolle erzeugte schlechte Lebensqualität
«Ich habe beides erlebt. Ich war lange Zeit in einer Opferrolle und fühlte mich sehr fremdbestimmt. Ich hatte das Gefühl, ich könne nicht viel beeinflussen. Es passierten mir einfach schlimme Sachen.»
Und weiter: «Ich war schnell gekränkt. Ich war oft zu passiv. Wenn mir etwas zustiess, was mir nicht passte oder schwierig war, fühlte ich mich ausgeliefert, hilflos.» Sie dachte sich: «Ich kann nichts dagegen machen. Warum passiert mir das?»
Herausforderungen wollte Rappo nicht anpacken oder als Chance sehen. Sie handelte nach eigener Aussage zu wenig und hatte eine schlechte Lebensqualität, was ihr die Lebensfreude raubte. Sie war traurig und wütend.
Das Opfer zu sein und die Schuld auf andere Menschen zu scheiben war ein Muster, das Karin Rappo vorgelebt wurde und welches sie übernahm.
Verantwortung für sich selbst übernehmen
Mit Hilfe einer psychosozialen Beratung lernte sie dann, genauer hinzuschauen und ihre Haltung zu reflektieren. Sie lernte, die Verantwortung für sich, ihr Handeln, ihre Gefühle und ihre Bedürfnisse zu übernehmen.
Rappo stellte dann fest, wie viel Veränderung möglich ist und dass gar nicht alles in Stein gemeisselt ist. «Ich merkte, dass ich nicht einfach das Opfer meiner eigenen Geschichte bin.»
Eine Rolle spielte für sie auch der christliche Glaube, auf den sie vor 20 Jahren stiess. Wenn sie sich jeweils ungeliebt fühlte, dann sagte sie sich ganz bewusst: «Jesus, ich stelle mich unter deinen Blick. Wie siehst du mich an? Welchen Blick hast du? Was denkst du über mich?»