Zahllose Kinder hören Tag für Tag, dass sie ungewollt, dumm, im Weg sind – oder sogar noch Schlimmeres. Solche Worte beeinflussen die Kinder. Die Missachtung der Eltern macht sie zu gebrochenen Persönlichkeiten.
Ähnliche Umstände kennt Torsten Hebel. Er weiss aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn man mit seinen Gaben und Talenten nicht wahrgenommen wird. «Man entwickelt Fertigkeiten und Strategien, um damit fertig zu werden. Aber ich habe noch heute Narben auf meiner Seele.» Beachtet wurden seine Begabungen dagegen in seiner Kirchgemeinde. Dort durfte er sich kreativ betätigen, schrieb schon im Alter von neun Jahren ein Theaterstück, das er dann auch aufführen durfte. «Das hat mich beflügelt und mir unglaublich gut getan.» Und genau diese Erfahrungen gibt er heute an andere Kinder weiter.
Stark machen
Er leitet in Berlin Lichtenberg, einem sozialen Brennpunkt, die sozial-diakonische Arbeit «blu:boks BERLIN». Dort will Torsten Hebel Kindern und Jugendlichen Mut, Kraft, Liebe und vor allem Selbstbewusstsein geben. Mit verschiedenen Workshops von Musik über Tanz bis hin zu Theater lernen die Kinder ihre Stärken kennen. «Unser Motto: Jeder ist etwas wert und kann auch etwas.» Ein Motto, das er vor allem von seiner Mutter kennt. Ganz wichtig ist ihm auch, das Gemeinschaftsgefühl der Kinder zu fördern. Ein Gefühl, das er als Kind aus seiner Kirchgemeinde kannte.
Kanzel gegen Kiez
Nach seiner Ausbildung zum Tischler und einer Schauspielausbildung in den USA entschied sich Torsten Hebel, eine theologische Ausbildung zu machen. «Meine Berufe und Berufungen haben sich verändert, weil ich begriffen habe, dass man kleine Schritte mit Menschen gehen muss, um Grosses zu bewirken.» Denn oft trifft man in der blu:boks BERLIN auf junge Menschen, die in den meisten Gemeinden gar nicht vorkommen. Zumindest in den Gemeinden, die er kennt. So hat er seine Kanzel gegen den Kiez getauscht. «Ich glaube tatsächlich noch immer an Wunder. Doch diese Wunder brauchen in der Regel mehr Zeit als 90 Minuten an einer christlichen Veranstaltung.» Torsten Hebel bleibt kontinuierlich dran und erlebte so auch schon, wie zum Beispiel wider Erwarten Schulabschlüsse geschafft wurden.
Verstehen
Vieles, was Torsten Hebel bis jetzt erlebt hat, versetzt ihn erst in die Lage, diese Kinder zu verstehen. «Es sind junge Menschen, in denen ich mich oft wieder entdecke. » Er leidet mit, wenn sie von Vätern erzählen, die nicht da sind. Er glaubt an diese Kinder, wenn das sonst niemand tut. Und dabei lernte er: «Es ist wichtig, sich mit der eigenen Kindheit zu versöhnen. Erst dann können wir zu guten Müttern und Vätern werden.»