Von Anna Näf
Wie ein heftiger Windstoss wirbelte der heutige Tag allerhand Gefühle in mir auf. Jetzt sitze ich im Bus und hätte eigentlich Zeit, die Gefühle einzusammeln und zu sortieren. Doch das wäre anstrengend.
Es entspannt mich mehr, wenn ich Gefühle von anderen ausleihen kann. Ich klicke auf das grüne Spotify-Logo und vor mir geht eine riesige Bibliothek voller fremder Gefühle auf. Verpackt in schöne Melodien fliessen sie durch meinen Gehörgang und geben meinem Herz einen neuen Takt.
Manchmal nutze ich die musikalische Gefühls-Bibliothek, weil meine eigenen Gefühle zu gross und zu stark durcheinander sind. Ich möchte mir ausweichen.
Aber manchmal brauche ich die Lieder auch, weil meine eigenen Gefühle blockiert sind: Vor lauter Abhaken von ToDos habe ich vergessen, wie man die Fäuste ballt. Wenn ich mit Lewis Capaldis Sehnsucht oder Billie Eilishs Melancholie mitfühlen kann, wird auch meine eigene Gefühlswelt wieder aktiviert.