Von Andreas Räber
Hast du Lebensträume? Ideen, die dich begleiten und dir keine Ruhe lassen? Etwas, das nach Aufmerksamkeit verlangt, dich antreibt und umgesetzt werden will? Manchmal wirken Lebensträume auch still und leise und werden uns erst bewusst, wenn das Leben sich vielleicht dagegenstellt. Eines ist jedoch klar: Lebensträume beflügeln und geben unserem Leben Sinn.
«Du kannst fliegen, ja, du kannst!
Lass’ den Wind von vorne weh’n
Breite die Flügel, du wirst seh’n:
Du kannst fliegen, ja, du kannst!»
In seinem Lied «Lilienthals Traum» beschreibt der deutsche Liedermacher Reinhard Mey einen ganz besonderen Moment. Einen Zielmoment. Endlich angekommen – was für ein erhebendes Gefühl! Jedes Ankommen braucht auch einen Start. In den Top 5 der beliebtesten Berufe in Deutschland für Knaben liegt «Pilot» nach «Polizist» auf Platz 2. Bei den Mädchen steht an erster Stelle «Tierärztin » gefolgt von «Lehrerin». Erfüllen sich diese Wünsche? Ganz oft nicht. Denn sonst wäre jeder fünfte Deutsche Polizist. Das Spannende ist jedoch, dass die gleichen Berufswünsche auch im höheren Alter häufig noch vorhanden sind. Unverwirklichte Lebensträume sind daher keine Seltenheit.
Zurück zu Otto Lilienthal und seinem Lebenstraum, dem Fliegen. Lilienthal war nicht der Einzige, der sich dem damals unvorstellbaren Traum vom Fliegen widmete. Aber er gilt als der erste Mensch, der erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge mit einem Flugapparat durchführte und dem Flugprinzip «schwerer als Luft» zur ersten menschlichen Anwendung verhalf. Damit bahnte er den Weg zu dessen späterem Erfolg.
«Er flog unter dem gleichen Himmel wie wir, aber mit den damaligen Möglichkeiten.»
Träume verbinden uns Menschen. Von der Vergangenheit bis in die Gegenwart: etwas erreichen können, Beiträge in der Gesellschaft leisten, Geschichte schreiben. Das sind Träume, die wir in der einen oder anderen Form alle kennen.
Lebensträume brauchen eine innere Überzeugung Alles hat einen Anfang. Eine Überzeugung, einen Glauben an die Idee, an christliche Werte, an einen Auftrag. Der Traum vom Fliegen, Reisen, vom Pferdehof, vom Verkünden des Evangeliums in die ganze Welt, vom perfekten Job etc. Lebensträume werden in der Regel sehr hochgesteckt. Unser Leben soll einen Sinn haben! Lebenssinn motiviert und zieht.
Irgendwann entstand auch bei Otto Lilienthal die Idee, beeinflusst dadurch, dass Fliegen in der damaligen Gesellschaft ein wichtiges Thema war. 1867 und 1868 bauten die Brüder Lilienthal im ostdeutschen Anklam erstmals Experimentiergeräte zur Erzeugung von Auftrieb durch Flügelschlag. Der erste offizielle Flug über 250 Meter gelang im Jahr 1893.
«Dazwischen liegen 26 Jahre Entwickeln, Aushalten, Träumen, Testen, Dranbleiben, Versagen, Verzweifeln, Aufstehen, Weitermachen.»
Lebensträume können mitunter viel Ausdauer erfordern. Oft verstehen wir sie als Vision, als Gottes Willen, und wir handeln im Glauben, dass er uns beschützen wird auf unserem Weg. Doch dann und wann bleibt eine gewisse Ernüchterung nicht aus. Gut möglich, dass wir bei der Definition unseres Lebenstraums unsere eigene Entwicklung und die der Gesellschaft nicht berücksichtigt haben, ja schlichtweg nicht berücksichtigen konnten. Die Dynamik der Veränderung macht auch vor unseren Ideen nicht halt. Was in unserem Kopf vorhanden ist, muss sich erst in der Praxis bewähren. Gedanken kennen keine Grenzen und das Träumen ist nun mal schön … Doch Schicksalsschläge, Fehlentscheidungen oder mangelnde mentale oder finanzielle Unterstützung gehören leider auch zur Umsetzung von Träumen.
«Hat nicht gerade Fliegen, haben nicht alle Lebensträume auch mit Gegenwind zu tun?»
Gegenwind hilft uns abzuheben. Gegenwind ist wichtig, weil er uns trägt und wachhält. Durch ihn werden wir geschickter und robuster.
Unspektakulär und doch unersetzlich
Und ich? Auch mit meinen 58 Lebensjahren als ausgesprochener Kopfmensch bin ich noch ein unverbesserlicher Träumer. Meine drei wichtigsten Werte sind (Persönlichkeits-) Entwicklung, Authentizität und Empathie. Ich will einen guten Job machen. Will Menschen zu und in ihrer Vision begleiten. Und tragende Beziehungen pflegen. Gleichwertigkeit leben und fördern. Ich versuche ganz bewusst, meinen Beitrag für Gesellschaft und Klima zu leisten und wo möglich, noch zu verbessern. Ich spüre, meine Werte muss ich leben und sie in meinen Alltag integrieren können. Mitten ins Leben. Dabei sein. Und das mit eher unspektakulären Lebensträumen. Mein positiv geprägtes Gottesbild gibt mir die Gewissheit: Es ist gut so. Liebe sieht das grosse Ganze und handelt überall. Und all die nicht verwirklichten Lebensträume? Älterwerden und Krankheiten beispielsweise lassen die Möglichkeiten schrumpfen, teils ganz massiv und ganz plötzlich. Es ist von Natur aus gegeben, dass wir nur beschränkt Kraft haben. Darum darf es auch mal sein, etwas nicht mehr zu können oder zu müssen. Solche Erlauber tun einfach gut.
Lebensträume verwirklichen und unvergessliche Geschichte schreiben
Träumer, Visionäre und Dranbleiber wie Otto Lilienthal bewundere ich! Nicht wegen ihrer Bekanntheit. Vielmehr, weil sie nie aufgeben. Sie leben für ihren Traum trotz klar erkennbarer Risiken. Sie stehen am Ursprung von wichtigen Ereignissen in der Menschheitsgeschichte. Sie leben die grossen Geschichten, die letztendlich alle auf die einzigartige Geschichte von Jesus Christus zurückgehen. Wie er geben auch sie für ihren Traum und ihre Vision ihr Leben hin. Doch ihr Lebenstraum wird weitergelebt. Lebensträume sind nicht immer nur von uns allein abhängig. Wenn wir sie nicht mehr selbst (er)leben können, dann übernehmen andere oder wir unterstützen unsere Nachfolger.
Lebensträume? «… ja, du kannst!»