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Krippenszene als Illustration
Krippenszene | (c) Ekaterina Kobalnova/dreamstime

Viele Wege führen zur Krippe

Denn so hat Gott die Menschen geliebt ...
Publiziert: 17.11.2023 20.11.2023

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Von Katharina Bänziger

Das Lieblingsspielzeug meiner Kindheit waren geschnitzte und bemalte Holztiere. Als ich selbst Mutter wurde, war für meine Geschwister klar, dass der Korb voller Tiere seinen Platz in meiner Familie haben sollte. In den Jahren, in denen unsere vier Kinder geboren wurden, vermehrten sich diese Holztiere stetig und eines Tages kamen auch Maria und Josef, das Kind in der Krippe, Hirten und Könige dazu.

Auch wenn unsere Kinder inzwischen mehrheitlich Teenager sind, gehört der Korb voller Tiere und Krippenfiguren zu jedem Advent dazu. Wenn sich das Fensterbrett füllt, gleicht es mehr einem Zoo oder der Arche Noah, denn da versammeln sich auch Pinguine, Löwen, Giraffen und sogar ein Krokodil rund um den Stall, und die Tiere, die keinen Platz mehr finden, werden auf dem Stalldach platziert. Das sorgt bei uns auch nicht für Diskussionen, denn das war den kleinen Kindern damals schon klar: Die ganze Schöpfung möchte Jesus sehen und in seiner Gegenwart muss das Lamm auch keine Angst mehr vor dem Löwen haben. Nur eine Frage konnten wir nie abschliessend klären: Dürfen die Könige von Anfang an nahe beim Stall sein oder sind sie nicht vielmehr noch auf dem Weg? Müssten wir sie auf ein anderes Fensterbrett stellen? Ich erinnere mich, dass meine Mutter in meiner Kindheit einmal einen solchen Adventsweg für uns gestaltet hatte, auf dem die Könige mit ihrem Kamel jeden Tag ein Stückchen näher zur Krippe wandern durften. Diese Geduld konnten unsere Kinder nicht aufbringen. Zu gross war ihr Mitgefühl mit den buntbemalten und teils exotischen Königen, die doch auch nahe beim Jesuskind sein wollten: Hauptsache, sie sind bei der Krippe.

Unterschiedliche Wege zur Krippe
Ist das nicht die Hauptsache? Am Ende landen die Protagonisten der Weihnachtsgeschichte alle am gleichen Ziel: bei der Krippe. Und doch ist es faszinierend, wie unterschiedlich ihre Wege aussehen, wie sehr sie sich in ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status unterscheiden und auch in der Art und Weise, wie sie sich auf dieses grosse Ereignis und den Beginn einer neuen Zeitrechnung vorbereitet haben.

An den Hirten und den Königen sehen wir, dass viele Wege zur Krippe führen und sehr unterschiedliche Menschen dort aufeinandertreffen. Schon da, in den ersten Lebenstagen Jesu auf dieser Erde, wird sichtbar, dass Jesus tatsächlich für alle Menschen gekommen ist: für Alte und Junge, Arme und Reiche, Juden und fremde Nationen. Doch nicht nur äusserlich unterscheiden sich diese Gruppen, sondern auch in der Art und Weise, wie Gott sie zur Krippe führt und wie ihre Persönlichkeit gestrickt ist.

In meiner Familie bin ich eher die Planerin und mein Mann ist sehr spontan. Wenn wir an einem freien Wochenende eine Wanderung machen wollen, dann überlege ich gerne im Vorfeld, was wir als Picknick brauchen, wie das Wetter ist, wo man am besten parkieren kann, welche Route ideal ist, ob alle Bergschuhe einsatzbereit und imprägniert sind und wie früh wir den Wecker stellen müssen. Wenn mein Mann aber am späten Abend vorschlägt, am nächsten Morgen einen Gipfel zu stürmen, dann machen wir das ganz spontan. Am Ende kommt es nicht mehr darauf an, denn verschiedene Wege führen zum Ziel und Gott findet einen Weg mit den Spontanen sowie mit den Vorausplanenden!

Verschiedene Persönlichkeitstypen
Diese beiden Persönlichkeitstypen, die Spontanen und die Planer, finden wir auch an der Krippe wieder. Es sind zwei sehr gegensätzliche Typen: die spontanen Hirten und die planenden «drei Könige», die ja eigentlich Sterndeuter und Gelehrte, «Magier», aus dem Morgenland sind.

Die Hirten kommen aus Israel, sie sind Juden und gehören zum Gottesvolk. Sie warten seit Generationen auf den Messias, den versprochenen Retter, und leben mit den uralten Verheissungen der Propheten. Sie erwarten in dieser Nacht nichts Besonderes, doch innerhalb von Stunden ändert sich für sie alles und ihre Welt wird auf den Kopf gestellt. Sie sind diejenigen, die ganz spontan und überraschend an der Krippe ankommen.

Im Lukasevangelium wird von ihnen berichtet:
Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: «Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.» (Lukas 2,8-12)

Die Situation der Hirten war alles andere als lustig. Es war Nacht und sie mussten in der Dunkelheit die Augen offenhalten, um die Herde zu schützen. Womöglich wurden sie von Sorgen wachgehalten, haben sich beraten und gefragt: «Hat es noch genug Gras auf den kargen Hügeln rings um Bethlehem? Geben die Mutterschafe genug Milch? Sind alle Tiere in einem guten Zustand oder haben sie Parasiten und Verletzungen? Sind die Lämmer gesund und stark genug?»

Darin können wir uns wiederfinden. Es gibt in unseren Leben immer ausreichend Anlass zur Sorge und genug Alltag, um mit uns selbst beschäftigt zu sein und in diese Haltung zu fallen: «Hauptsache, es ist wieder ein Tag geschafft. Hauptsache, überleben.» Die Hirten haben in dieser Nacht wohl kaum grosse Visionen über biblische Verheissungen gewälzt oder in der konkreten Erwartung gelebt, dass ausgerechnet in den nächsten Stunden der Messias geboren wird. In diese Situation hinein kommt die grosse Überraschung und sie sehen Engel, hören Stimmen vom Himmel und erleben eine nie dagewesene Herrlichkeit. Sehr spontan und völlig unvorbereitet bekommen sie direkt vom Himmel eine klare Offenbarung und äusserst konkrete Zeichen und Anweisungen, wo sie in Bethlehem das Kind, in Windeln gewickelt, in einer Krippe finden werden. Wie reagieren sie? Sie brechen sofort auf, finden alles vor wie beschrieben und erzählen in der Folge davon. In einer Nacht ändert sich völlig spontan ihr ganzes Leben.

Ihnen gegenüber stehen die Weisen aus dem Morgenland, von denen Matthäus 2 erzählt. Sie sind sogenannte «Heiden», Nichtjuden, Menschen aus einem fremden Volk. Sie kommen aus dem Osten, aus Babylonien, dem Gebiet des heutigen Irak, und sie sind Planer. Ihre Reise ist keine spontane Wanderung von heute auf morgen, sondern sie haben vorausschauend geplant, lange studiert und gründlich geforscht. Als sie die Krippe erreichen, haben sie eine weite, kostspielige und aufwendige Reise hinter sich.

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: «Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.» Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er liess alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: «In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten …» Und der Stern, den die Sterndeuter hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr grosser Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. (Matthäus 2,1–5;9–11)

Im Unterschied zu den Hirten sind sie schon lange voller Erwartung, wohin der Stern sie wohl führen wird. Sie haben ihr Leben bereits eine Weile auf dieses grosse Ziel ausgerichtet, weder Kosten noch Mühen gescheut und sind entsprechend lange unterwegs. Von Babylonien nach Bethlehem sind es ca. 1000 Kilometer und wohl mehrere Wochen Reisezeit. Die Magier hatten keine Wegbeschreibung, keine Ortsangabe und auch keine Erklärung, was, wen und wie sie das Szenario antreffen würden. Im Unterschied zu den Hirten waren ihnen keine konkreten Erkennungsmerkmale gegeben worden. Sie hatten nur einen Anhaltspunkt: den Stern. Biblisch gesehen sind Sterne mehr als nur Lichter am Himmel. In 5. Mose 4,19 erfahren wir, dass die Sterne den fremden Völkern als Götter dienen. Daher war der Stern für die Magier wohl nicht allein ein astronomisches Objekt, sondern eine Gottesbotschaft. Dazu kommt ihr gründliches Erforschen und Berechnen. Sicher fragen sich diese Männer: «Was erwartet uns am Ende der Expedition?» Wahrscheinlich hatten sie eine bestimmte Vorstellung, denn sie hatten aus den Sternen die Geburt eines Königssohns gelesen. Nach einem Umweg über den Königspalast des Herodes landen sie, dank dem Rat der Schriftgelehrten, am Ende in Bethlehem an der Krippe.

Ist es nicht beeindruckend, wie flexibel sie trotz allem Planen sind? Sie erkennen Jesus, obwohl alles so anders ist als erwartet. Kein Schloss, kein König – stattdessen dieser ärmliche Gottessohn in der Krippe.

Gott kommt mit uns allen ans Ziel
Am Ende können Magier und Hirten dasselbe sagen: Gott hat uns zur Krippe geführt – die einen durch die Sterne, die andern durch die Engel. Die einen durch langes Planen, Forschen und Studieren, die andern durch eine überraschende übernatürliche Offenbarung und Gottesbegegnung. Beides ist Reden Gottes und beide Gruppen kommen auf ihre eigene Weise ans Ziel.

Wir können dieses Bild auf unser Leben übertragen und darin etwas sehr Entspannendes entdecken:
Zu Jesus Christus, dem König der Welt, der sein Leben auf der Erde in der Krippe begonnen hat und zugleich der König am Kreuz ist, gibt es verschiedene Wege. Es gibt Menschen, die begegnen Jesus völlig unerwartet auf übernatürliche Weise und ihr ganzes Leben ändert sich innerhalb weniger Stunden. Andere forschen und studieren, überlegen lange, gehen weite Wege (und auch Umwege), aber am Ende landen auch sie am Ziel und begegnen Jesus. Es kann in unserem Leben und unserer Biografie auch beides zusammenkommen. Über manchen Fragen des Glaubens mögen wir lange grübeln und studieren, Bibelstellen vergleichen, forschen, fragen und lesen, während anderes in unseren Herzen ganz plötzlich klar und gewiss ist. Mal geht es den einen Weg, mal den anderen. Das können wir getrost Jesus überlassen, auch mit den Menschen in unserem Umfeld, bei denen wir warten und uns wünschen, dass sie doch auch den Weg zur Krippe und letztlich zum Kreuz finden. Die Hauptsache ist, dass wir am Ende immer wieder am selben Ziel landen – bei Jesus Christus.

Hirten und «Könige» – beide können uns inspirieren. Nur an manchen Protagonisten der Weihnachtsgeschichte sollten wir uns kein Beispiel nehmen, nämlich an König Herodes und der Gruppe der Schriftgelehrten und Hohenpriester. Letztere erkannten zwar die Wahrheit mit ihrem Verstand und Bibelwissen und waren dadurch in der Lage, den suchenden Magiern aus dem Osten die richtige theologische Antwort zu geben, dass das Kind in Bethlehem zu finden sei. Das grosse Eigentliche aber entging ihnen. Sie blieben beim Kopfwissen stehen, aber die Begegnung mit Jesus verpassten sie. Sie waren nahe dran und doch beim entscheidenden Geschehen nicht dabei.

Die Weihnachtsgeschichte ist und bleibt eine Einladung an uns, dass wir – egal, wie viel wir bereits wissen, und egal, wie lange und intensiv wir schon unterwegs sind, ob wir eher spontan und offen für übernatürliche Himmelsbegegnungen oder eher vorausschauende Planer sind – uns aufmachen und Jesus in Person begegnen. In ihm ist die «Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes» erschienen und sichtbar geworden (Titus 3,4). Damals, seither und heute!

 

Zur Person
Katharina Bänziger ist Mutter von drei Söhnen und einer Tochter zwischen 9 und 18 Jahren. Sie ist Evangelische Pfarrerin und verheiratet mit Thomas Bänziger. Gemeinsam waren sie zehn Jahre in der Landeskirche tätig und sind heute Teil der Leiterschaft der Stiftung Schleife, Winterthur. Ihr Herz schlägt dafür, Schätze des Glaubens und der Bibel zu entdecken und diese in Predigt und Lehre für den Alltag lebendig werden zu lassen.
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