Von Astrid Schatzmann
Ich liege auf dem Rücken und schaue in den klaren Sommernachtshimmel. Der Mond sieht aus, als würde er verschmitzt hinter etwas hervorlachen. Dabei mache ich mir Gedanken darüber, wie Gott ist – oder besser: wie Gott sein könnte. Ich kann Gott nicht fassen weder in Gedanken noch in Worte. Er ist weitaus grösser als mein Denken und Fühlen.
Ich versuche, mich ihm anzunähern, und entferne mich gleichzeitig wieder – wie in einem Labyrinth. Ich kann einzig Geschichten erzählen darüber, wie ich Gott erlebe.
Meine Gedanken wandern zu dem Spruch, den ich jahrelang in meiner Kirche über der Ausgangstüre gelesen und verinnerlicht habe: «Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.» (Johannes 6,68)
«Gott sei Dank!» kam mir jahrzehntelang sehr leicht über die Lippen. Ich habe Lobpreiszeiten geliebt. Sie waren mein stärkster Zugang zu Gott. Aussagen wie «Gott ist gnädig …», «Gott ist Liebe …» usw. entsprachen meiner Wahrnehmung und meinem Empfinden. Mein Herz war voller Dankbarkeit.
Vor etwa zwei Jahren wurde es dunkler in meinem Glaubensleben. Ohne bestimmten Auslöser schlich sich eine innere Ferne ein. Es fühlte sich an, als wenn alles von mir abperlte, was ich bisher geglaubt und erfahren hatte. Was andere sangen oder zu mir sagten, kam nicht weiter als bis zu meiner wasserdichten Gore-Tex-Hülle. Auch Dankbarkeit Gott gegenüber konnte ich weder fühlen noch denken und schon gar nicht mehr ausdrücken. Am Tiefpunkt dieser Erfahrung kam es mir vor wie ein «Wandern im finsteren Tal». Aber da waren weder Stecken noch Stab, die trösteten (vgl. Psalm 23,4). Ich hatte keinen Halt in Gott mehr, das «Aufschauen zu den Bergen» war wohl möglich, aber die Hoffnung auf Gott «woher mir Hilfe kommt» (vgl. Psalm 121) war verschwunden.
Einzig das lange vorher eingeübte Atemgebet war noch da: «Herr, erbarme dich. Christus erbarme dich.» Trotz der inneren Dunkelheit, trotz der Ferne: «Herr, erbarme dich.»
War mir Gott gerade da ganz nah? Und war ich IHM gerade da ganz nah? Ich weiss es nicht. Ich ahnte: Gott IST.
Gott sei Dank (!) hatte ich auch während dieser Zeit einegute geistliche Begleiterin, die mir auf diesem Weg zur Seitestand. Unterdessen leuchtet in diesen dunklen Tunnel daund dort wie durch einzelne Fenster wieder Licht hinein. Esperlt nicht mehr alles an meiner Hülle ab. Manche Liederkann ich wieder singen und halte dabei Gott mein Herz hin.«Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigenLebens.» – dieser verinnerlichte Spruch aus der Kirchewurde zu einer Grundlage – denn wohin sonst sollte ichgehen? Was würde bleiben ohne Gott? Selbst wenn ich nichtsagen kann, wie Gott ist, kann ich doch sagen: «Gott IST».Wer sonst hat Worte des ewigen Lebens? Unterdessen kannich auch wieder sagen: «Gott sei Dank!» Und ich freuemich über Gottes Humor, der den Mond verschmitzt hinteretwas hervorlachen lässt, während ich mir Gedanken darübermache, wie Gott sein könnte.