Am 27. Mai 2020 war Gottfried Locher per sofort als Präsident der Evangelischen-reformierten Kirche der Schweiz (EKS) zurückgetreten. Eine Mitarbeiterin hatte ihm Grenzüberschreitungen vorgeworfen.
Gestern am 4. August 2021 präsentierte die EKS die Ergebnisse der Untersuchung, welche vor über einem Jahr in die Wege geleitet wurde. Der Bericht der Anwaltskanzlei hält fest, dass Locher sich falsch verhalten habe. Er habe eine Mitarbeiterin sexuell, spirituell und psychisch missbraucht. Locher hat sich zu dem Fall nicht geäussert.
Die Untersuchung hat bis jetzt rund 400 000 Franken gekostet. Die Untersuchungskommission hat 17 Empfehlungen herausgegeben, damit sich ein solcher Vorfall nicht mehr wiederholt.
Am 27. Mai trat Gottfried Locher als Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche zurück, bereits einen Monat vorher hatte dies das Ratsmitglied Sabine Brändlin getan.
Bernhard Rothen (Pfarrer in Hundwil AR) sieht die Ereignisse rund um den Rücktritt der beiden als einen heilsamen Prozess für die Kirche an. «Meiner Meinung nach befindet sich die Kirche in einem viel besseren Zustand als vorher, ist wieder viel näher bei der Wahrheit und Realität. Hochgestochene Programme und grosse Versprechen sind in sich zusammengefallen.» Man wisse wieder verstärkt, was die Kirche sei: «eine Gemeinschaft von Sündern, welche die Vergebung nötig haben.» Statt das Evangelium zu verkündigen, hätte man Strukturen geschaffen und versucht, sich in der Gesellschaft zu profilieren, erklärt Rothen. Es hätte an einer gewissen Demut gefehlt, konstatiert er.
Pfarrer Josef Hochstrasser veröffentlichte 2014 eine Biografie über den ehemaligen EKS-Präsidenten. Er bevorzugt eine eloquente Kirche, welche sich mit den heutigen Themen beschäftigt. «Ich staune immer wieder, wie sehr die Leute keine Ahnung mehr haben vom emanzipatorischen und humanistischen Potenzial der Bibel und von Jesus von Nazareth.» Er bedauere es ausserordentlich, dass dieser Aspekt verloren gegangen sei. Die Sonntagspredigten seien häufig weltfremd und hätten in den wenigsten Fällen einen Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Realität. «Wie heutzutage das Christentum gelebt und verkündet wird, ist sehr langweilig und rudimentär.»
Im Hinblick auf die Zukunft wünscht sich Hochstrasser, dass alle Beteiligten am gegenwärtigen Konflikt und an sich selber arbeiten und ihre Interessen offenlegen. Man könnte für die Gesellschaft ein «Riesen-Vorbild» sein, indem man Gottfried Locher zurückhole. Rothen hingegen legt den Fokus auf die Kultur in der Kirche und wünscht sich einen bescheidenen, selbstkritischen Ton – und dass Jesus als einzig Gerechter bezeugt wird.
Am Montag, 16. März 2020 hat der Bundesrat Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus erlassen. Diese haben auch Auswirkungen auf die Kirchen, denn Zusammenkünfte wie Gottesdienste sind nicht mehr erlaubt. Die Kirchen müssen ihr kirchliches Leben einstweilen neu organisieren.
Bei der reformierten Kirche sind die Kantonalkirchen in ihren Entscheidungen selbstständig. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) nimmt diejenigen Aufgaben wahr, welche gesamtschweizerisch gelöst werden müssen: beispielsweise die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit oder landesweite Koordinationsaufgaben.
EKS-Präsident Gottfried Locher plädiert für einen kreativen Umgang mit der aktuellen Situation. Für ihn ist klar, dass Karfreitag und Ostern dieses Jahr anders gefeiert werden. Für Locher ist das Gebot der Stunde, sich kreativ auf Ostern vorzubereiten, denn: «Ostern ist nicht abgesagt, Ostern ist anders.»
Was man noch bis vor kurzem als den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund kannte, heisst seit 1. Januar 2020 Evangelisch-reformierte Kirche der Schweiz (EKS). Dahinter steckt mehr als ein blosser Namenswechsel, wie Präsident Gottfried Locher erklärt: «Der neue Name ist ein starkes Zeichen für das Bewusstsein, dass wir zusammenwachsen.»
Die Kantonalkirchen hätten weiterhin ihre Verantwortung, aber man sei miteinander eine Gemeinschaft, die öffentliche auftrete. «Der neue Name ist auch symbolisch, aber viel mehr als symbolisch», so Locher. Welche konkrete Änderungen damit verbunden sind, erläutert er in diesem Beitrag.