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Person sitzt niedergeschlagen an einer Wand
Niedergeschlagen und einsam | (c) Tero Vesalainen/dreamstime

Der Einsamkeit entgegentreten

Pandemie, Isolation, Vereinsamung
Publiziert: 13.04.2022 20.04.2022

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Von Marnie Hux-Ebermann im Interview mit Rolf Germann

«Social Distancing». Zwei Jahre mussten wir unsere Kontakte zu Freunden, Bekannten und  sogar zu unseren Familienmitgliedern erheblich eindämmen. Isolation und Vereinsamung  waren bei vielen die Folge. Was die Pandemie mit uns gemacht hat und welche Entwicklung sich vielleicht schon vorher angekündigt hat, beleuchten wir im Interview mit Rolf  Germann, Seelsorger Coach und Supervisor.

Merken Sie als Coach und Seelsorger, dass die Menschen in den letzten zwei Jahren aufgrund der Pandemie und Corona-Massnahmen einsamer geworden
sind?
Definieren wir einmal die Einsamkeit, dann muss  man einen grossen Unterschied machen zwischen ihr  und dem Alleinsein. Man kann allein sein und absolut  zufrieden sein damit, und umgekehrt kann man sich  auch in der grössten Menschenmenge einsam fühlen.  Auf die Zeit der Pandemie bezogen glaube ich, dass die  Menschen es bereits vorher stark mit Einsamkeit zu  tun hatten. Sie hat diese einfach ein stückweit sichtbarer gemacht. Das Gefühl der Einsamkeit haben alle  irgendwann schon erlebt. In einer Welt, in der immer  mehr läuft, fällt es uns oft schwer, es auszuhalten. Dem  Gefühl, das entsteht, wenn es plötzlich ruhig wird um  uns, gehen wir gerne aus dem Weg.

Was liegt dieser Einsamkeit zugrunde? Was können  Auslöser und Gründe dafür sein?
Bei knapp 8 Milliarden Menschen auf dieser Welt können wir eigentlich nicht einsam sein, uns wohl aber  so fühlen. Zu erkennen, dass Einsamkeit ein Gefühl ist und kein Zustand, kann ein Anfang sein. Die Einsamkeit zeigt uns auf, dass unsere Probleme so gross  geworden sind, dass wir sie nicht mehr verdrängen  können. Meistens ist dieser Zustand nicht selbst gewählt, er passiert durch Umstände. Es kann sein, dass  uns das gewohnte Umfeld genommen wird. Vielleicht  sind wir verlassen worden und die Erfahrung sitzt  noch tief. Vielleicht sind wir ausgeschlossen worden  oder eine Krankheit oder ein Ortswechsel haben uns  zugesetzt. Veränderungen bewirken manchmal Einsamkeit. Wenn wir an die vielen Flüchtlinge denken,  die jetzt in einem Land fernab ihrer Heimat sind, dann  können wir uns vorstellen, wie einsam sie sich fühlen  müssen.

Was können mögliche Ansätze sein, diesem Gefühl  zu begegnen?
Einsamkeit ist grundsätzlich nichts Negatives. Negativ  sind darin unsere Gedankengebäude, die uns davon  abhalten, Gutes aus ihr entstehen zu lassen. Hier hilft  eine Gedankenveränderung, eine neue «Bewertung der  Situation». Auf die Art, wie ich einen Zustand bewerte,  folgt meine Reaktion. Für diese neue Bewertung ist es hilfreich, sich ein Gegenüber zu suchen. Genau damit  tun sich einsame Menschen aber oft schwer. Es lohnt  sich aber gerade hier, der Einsamkeit entgegenzutreten  und mit einem Gegenüber seine Gefühle zu reflektieren: Was macht mich einsam? Was ist das für ein  Gefühl? Wo kommt es her? Was für Gedanken kreisen  in meinem Kopf? Was frustriert mich?

Gott hat uns ja als Gegenüber geschaffen. Wie können wir ihn als Gesprächspartner «aktivieren» bzw.  mit ihm beginnen zu reden?
Markus berichtet in der Bibel im Kapitel 4 darüber, dass  die Jünger auf einem Boot auf dem See unterwegs waren  und Jesus vorne im Boot schlief. Ein bedrohlicher Sturm  zog auf, das Boot lief voll Wasser und die Jünger weckten  Jesus, damit er ihnen helfe. Jesus stand auf, gebot dem  Wind Einhalt, befahl dem Sturm «sei still!» und sofort  legte sich der Sturm. Dieser Sturm steht sinnbildlich  für unsere Gefühle und Situationen, in denen wir uns  überfordert, ohnmächtig und einsam fühlen. Und dieser  Jesus ist auch da, wenn unsere Stürme toben. Wenn wir  anfangen, mit ihm darüber zu reden, wird etwas passieren. Wir dürfen Jesus wecken.

 

Zur Person
Rolf Germann (1954), Supervisor, Coach ACC und BSO, verheiratet, 5 Kinder, Schwiegerkinder und 10 Enkel, ist leidenschaftlicher «Goldgräber nach Nuggets» in den Leben vieler Menschen. Ausbildungen, Kurse und  Gespräche mit Ratsuchenden haben seine Arbeit als  Coach und Supervisor wesentlich geformt. Am meisten  geprägt haben ihn jedoch persönliche Erfahrungen, in  denen er selbst Prozesse durchlief.
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