Mental gesund bleiben – wie geht das? Lässt sich, ähnlich wie die tägliche Pflegeroutine für den Körper, auch eine Pflegeroutine für die Psyche aufbauen? Wie könnte eine regelmässige Psychohygiene aussehen? Psychohygiene-Host Michelle Boss stellt diese Fragen dem Psychologen Tarek El Daour.
El Daour erachtet Prävention als wichtig. Er weist darauf hin, dass Menschen zu spät zu einer beruflichen Potenzialabklärung gehen.
Während bei körperlich-äusserlichen Gegebenheiten schnell einmal klar wird, dass eine Behandlung angezeigt ist, ist der Fall bei unserer Seele nicht so offensichtlich. Hier braucht es zum einen Einsicht in sich selbst, zum andern aber auch Hinweise von Menschen aus unserem Umfeld. Unter Umständen müssen wir unser Selbstbild mit dem Fremdbild abgleichen.
Eine frühzeitige psychologische Erstabklärung lohnt sich, sagt El Daour. Tendenziell verstärken sich Probleme, statt dass sie sich von selbst lösen. «Je mehr wir Ängste meiden, desto stärken werden sie.»
Psychische Gesundheit bedeutet, dass wir uns innerlich als stabil erleben. El Daour erläutert sie folgendermassen. Wir sind geerdet, verankert und belastbar, stehen mit beiden Beinen auf dem Boden. Wir fühlen uns innerlich stark, stabil und gesund. Zudem können wir gegen aussen (mit)wirken und fühlen uns sozial aufgehoben. Wir haben ein gutes Selbstvertrauen und können unsere Meinung und Ideen einbringen.
Offline sein ist in unserer heutigen Zeit wichtig: Wir sollten im Verlauf des Tages Pausen einlegen und auf das Smartphone verzichten. Deshalb ist es sinnvoll, auf unsere To-do-Liste auch den Punkt «Nothing – nichts tun» zu setzen. Wir sitzen dann beispielsweise zehn Minuten hin und lassen die Gedanken fliessen.
Multitasking sieht El Daour als grosses Problem an. Wenn wir nämlich mehrere Aufgaben gleichzeitig anpacken, können wir nicht für alle die volle Aufmerksamkeit aufbringen. Erledigen wir vier Aufgaben gleichzeitig, erhält jede von ihnen einen Viertel unserer Aufmerksamkeit. Es gibt kein Multitasking, ist El Daour überzeugt. Das sei eine Illusion. Das Problem sei eben, dass wir sehr schnell ins Leistungsdenken und -handeln rutschen.
El Daour hat aufgrund seiner täglichen Zugfahrten und im Fitnessstudio festgestellt, dass rund 80 bis 90 Prozent Menschen Kopfhörer tragen. Er spricht in diesem Zusammenhang von akustischer Verhüllung. Die Konsequenz ist: «Wir verlernen zusehends soziale Interaktion.» Stress ist mehrheitlich subjektiv, weil wir uns Vieles aufladen. «Wenn wir Stress reduzieren wollen, müssen wir Dinge wegnehmen und nicht hinzufügen. Wir müssen abspecken und nicht aufbauen.»
Stress nachhaltig zu reduzieren braucht Zeit. Und im Umgang mit unserer Zeit brauchen wir einen Puffer: «Wir brauchen 20 Prozent Knautschzone.» Ein vier Meter breites Auto könne ja auch nicht auf einer vier Meter breiten Strasse fahren.
Um uns entwickeln zu können, brauchen wir zum einen Einsicht und zum andern eine Bereitschaft, umzulernen und uns zu ändern.
Wie können wir beginnen, unserer Psyche Sorge zu tragen? Tarek El Daour schlägt vor, dass wir im Verlauf des Tages vier Pausen einbauen. Dabei können wir ausprobieren, wie wir diese gestalten.
Kontaktier uns
Was hilft dir bei deiner täglichen Psychohygiene und beim Entschleunigen? Erzähle uns davon über:
Wir freuen uns sehr über Feedback, Fragen oder Themenwünsche über diese Kanäle!