1 Kennst du das Gedicht von Dietrich Bonhoeffer «Von guten Mächten»?
Ja, das kenne ich gut, kann es aber nicht ganz auswendig.
1 1/2 Was löst es in dir aus, was macht es mit dir?
Die Umstände, unter denen Bonhoeffer dieses Gedicht verfasste, übersteigen alles, was ich mir vorstellen kann. Es zeigt mir jedoch auf, dass ich in schlimmsten Situationen an der Zuversicht festhalten kann. Das Gedicht ist zeitlos. Anders als Bonhoeffer leben wir weder in einer Diktatur noch im Krieg. Doch die gesellschaftlichen Entwicklungen vermitteln auch heute das im Gedicht geschilderte Gefühl «böser Tage schwerer Last». Durch die alles berichtenden Nachrichten haben wir das Gefühl, wir leben in den schlimmsten Zeiten überhaupt. Dabei gab es immer Kriege auf der Welt, von denen wir nicht ständig über so viele Kanäle alles mitbekommen haben. Es ändert aber nichts daran, dass sich unsere Zeit düster anfühlt, und das hat Auswirkungen. Wir spüren eine Verschärfung im Tonfall, eine Zunahme von Polarisierung. Sogar für verschiedene Vorstellungen, wie man den Glauben an Gott leben soll, verurteilen Menschen sich gegenseitig. Eine Geschichtsvergessenheit ist festzustellen und die plakativste Auswirkung dessen ist ein wieder zunehmender Antisemitismus. Man erträgt keine Frustration und sofort werden Schuldige gesucht. Das alles kommt einem bekannt vor.
2 Was bedeutet das Gedicht für dich? Was schenkt dir Zuversicht?
Der Kern dieses Gedichtes gibt auch mir Hoffnung: Was auch geschieht, ich bin getragen und nicht allein. Als Journalistin habe ich das Privileg, mit vielen Menschen in unseren Podcasts, Radio- und TV-Sendungen und Gesprächen über deren Zuversicht trotz unverständlichen
Situationen und unerträglichem Schmerz zu sprechen. Gott hat uns Menschen recht widerstandfähig gemacht. Andere wiederum zerbrechen
an ihrem Leid und ich frage mich, warum Gott das nicht verhindert hat. Trotzdem hoffe ich zutiefst, dass Gott immer auch meine Umstände zum Guten drehen kann und ich geborgen und gehalten bin.
3 Was stimmt dich weihnachtlich?
Weihnachten und die Zeit drum herum haben mir viele Jahre grossen Druck bereitet. Alle Jahre wieder kamen Stress und Anspruch an mich selbst, irgendwie und endlich in Weihnachtsstimmung zu kommen. Es kann sehr anstrengend werden in diesen Wochen allem gerecht zu werden – vor allem mit kleinen Kindern und mit dem, was im Beruf, in der Schule und in der Familie läuft. Der plötzliche Tod meines Bruders letztes Jahr zur gleichen Zeit lässt mich emotional mit Respekt auf die Weihnachtszeit blicken. Und doch spüre ich, dass Jesus mir auch dann nahe sein wird und mich versteht.