Von Michèl Willen
Eigentlich soll gleich die selbstgebaute Wasserrutsche eingeweiht werden. Der 23-jährige Philipp Mickenbecker vom YouTube-Kanal «The Real Life Guys» steht nochmal kurz vor den Spiegel und entdeckt zwei dicke Beulen auf der Brust, die vorher noch nicht da waren. «Mir war direkt klar: Der Tumor ist zurück.»
Sieben Jahre zuvor wird bei Philipp zum ersten Mal Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert. Damals ist er gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Johannes in der Naturfotografie tätig. Eines Tages merkt er, dass er nicht mehr richtig Luft bekommt. «Es hat sich angefühlt, als hätte ich einen Stein in der Lunge.» Beim Arztbesuch dann die Erklärung: Philipp hat einen Tumor. Er unterzieht sich der Chemotherapie, hat starke Nebenwirkungen und kann etwa ein Jahr lang nicht in die Schule gehen. Es scheint sich aber zu lohnen: Bei der Nachkontrolle ist vom Tumor nichts mehr zu sehen. In dieser Zeit startet er mit seinem Bruder den gemeinsamen YouTube-Kanal. In ihren Videos bauen sie zum Beispiel eine fliegende Badewanne oder ein U-Boot. «Wir wollten die Leute dafür begeistern, nach draussen zu gehen und nicht nur zuhause vor dem Bildschirm zu sitzen.» Der Kanal startet durch, die Videos werden auf der ganzen Welt geschaut.
Begegnung mit Gott
Doch dann hat Philipp vermehrt mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen. Eine Untersuchung macht klar: Vier Jahre nach der ersten Krebsdiagnose ist der Tumor wieder da. Philipp entscheidet sich gegen eine erneute Chemotherapie. Sein Zustand verschlechtert sich markant. «Es sah nicht so aus, als ob ich die nächsten Wochen überleben würde. Da habe ich das erste Mal in meinem Leben richtig krass Angst gehabt.» Eines Abends geht er nach draussen und ruft in seiner Not zu Gott. «Plötzlich habe ich eine unglaubliche Liebe gespürt. Ich spürte, dass es da jemanden gibt, der auf mich aufpasst.» Nur zwei Tage nach diesem Erlebnis stirbt Philipps Schwester bei einem Flugzeugabsturz. Sein gesundheitlicher Zustand wird immer kritischer – er stellt sich darauf ein, bald zu sterben. «Da hat meine Mutter zuhause gebetet: ‹Jesus, jetzt musst du uns helfen – wir sind am Ende.›» Wie durch ein Wunder verbessert sich Philipps Zustand danach und er ist innerhalb von drei Monaten wieder auf den Beinen.
Die Hoffnung bleibt
Er hat nun wieder Energie, um sich den Videos zu widmen. Der YouTube-Kanal wächst weiter und alles sieht gut aus – bis drei Jahre später die verdächtigen Beulen auf der Brust auftauchen. Der Arzt bestätigt Philipps Vermutung: «Er sagte mir, dass der Tumor schon im Endstadium sei.» Eine erneute Chemotherapie kommt nun nicht mehr in Frage. Philipp weiss, dass er jederzeit sterben könnte. «Meine grösste Hoffnung ist, zu wissen, dass es nach dem Leben weitergeht. Ich glaube, dass Gott am Ende alles irgendwie gut machen wird – selbst wenn es nicht hier auf der Erde ist.»