Wenn man als Paar schon länger zusammen ist und die Brille nicht mehr rosarot ist, können kleine Konflikte auf einmal gross und grösser werden.
Der Paar- und Familientherapeut Jörg Schori beobachtet bei Paaren vor allem eines: Der eine will den anderen verändern. Wer das allerdings tut, zerstört die Gemeinschaft. Hier gilt es zu lernen, dass der Partner eben anders ist und das Anderssein seine Berechtigung hat.
Umgang mit Unterschiedlichkeit
«Die unterschiedlichen Erwartungen an und für sich sind kein Problem, sondern der Umgang mit der Unterschiedlichkeit», sagt Schori. Der springende Punkt, um als Paar zu wachsen, sei nicht der Unterschied selber, sondern ein respektvoller, liebevoller Umgang damit und die Fähigkeit, Kompromisse zu finden und nachzugeben oder vorzugeben.
Die Persönlichkeit der beiden Partner spielt auch eine Rolle. Schori erklärt: «Im Kommunikations- oder Streitverhalten sieht es meist so aus, dass der extrovertierte Teil seine Bedürfnisse formuliert oder Anschuldigungen macht. Der Introvertierte wird sprachlos, weiss nicht mehr was sagen, und bunkert oder igelt sich ein.»
Entsprechend kommt es oft zu Angriff- und Verteidigungssituationen. Hier sei es wichtig sich klarzumachen, dass hinter beiden Verhaltensweisen das Bedürfnis steckt, dass der andere uns versteht und annimmt.
In einer Paarberatung sei der Anfangspunkt jeweils, dass es der andere nicht böse meint. «Er sucht mich, er will mich. Das missversteht man gerne, wenn man im Kampf ist. Derjenige, der flüchtet, sucht Frieden. Derjenige, der angreift, sucht Gemeinschaft. Sie haben ganz verwandte Sehnsüchte in sich.»
Im Streit geht dieses Grundverständnis meist unter. «Wenn ein Ehepaar plötzlich entdeckt, dass der andere ein gutes Herz hat, ist das der Moment, wo man wieder darauf aufbauen kann.»
Miteinander reden fällt oft schwer
Schori weiss, dass vor allem miteinander reden vielen Paaren schwerfällt. «Paare, die Schwierigkeiten miteinander haben, können nicht mehr so gut miteinander sprechen.» Aber nicht das sei das Problem, sondern der Grund dahinter.
Bei einer Beratung versucht Schori, die gemeinsamen Werte herauszuarbeiten und zu zeigen, dass Unterschiedlichkeit in Ordnung ist. «Und dass es darum geht, mit und in dieser Unterschiedlichkeit einen Weg zu finden. Hier sind wir wieder beim Thema Respekt und Freundschaft, die Basiswerte einer lebenslangen Paarbeziehung.»
Konstruktive statt destruktive Streitkultur
Zur Kommunikation gehört eine gesunde, konstruktive Streitkultur. Denn eine destruktive Streitkultur wertet den anderen ab. Hier empfiehlt der Therapeut das Konzept der gewaltfreien Kommunikation.
«Zu einer sinnvollen Kommunikation, in der man unterschiedliche Meinungen hat, gehört, dass jeder dem anderen erzählen kann, was für ihn passiert ist und was für ihn das Problem ist. Jeder darf zu seinen Gefühlen und zu seinen Bedürfnissen stehen. Jeder darf Wünsche haben. Und wenn man das auf den Tisch gelegt hat, kann man Lösungen suchen.»