Von Anna Näf
Wenn man einen Frosch in kochendes Wasser wirft, hüpft er gleich wieder heraus. Wenn man ihn jedoch in kaltes Wasser setzt und dieses langsam erhitzt, bemerkt er es nicht. So sagt man. Das ist zwar ein Mythos – aber es ist trotzdem ein hilfreiches Bild für menschliches Verhalten.
Manchmal erhitzen sich meine Gefühle und ich bemerke es kaum richtig. Wut brodelt vor sich hin, weil mich jemand nicht ernst nimmt. Ein misstrauischer Dampf vernebelt meine Sicht, und ich fange an, allen böswillige Absichten zu unterstellen. Bis ich plötzlich aus der Pfanne genommen werde und merke: «Ah, so sollte sich das Leben eigentlich anfühlen!»
Nicht selten ist es das Gebet, das mich aus der Pfanne herausholt. Ich sitze auf dem Fenstersims, schaue in den Himmel und spüre, wie jemand zurückschaut. Ich fühle mich ernst genommen. Ich werde gesehen. Ich weiss wieder, was mir wirklich wichtig ist. Wenn es dann später wieder zu brodeln beginnt, bemerke ich es viel schneller und kann die Herdplatte abstellen, bevor meine Gefühle überkochen.