In der Schweiz herrscht eine Individualkultur vor, der einzelne Mensch ist wichtig. In Ehrkulturen hingegen ist die Gemeinschaft wichtiger als das Individuum. Verhält sich das Individuum nicht angemessen, dann muss die Gemeinschaft – zum Beispiel die Familie – eingreifen. Denn die Ehre der Familie oder der Gruppe steht und fällt mit dem Verhalten des Einzelnen. Als Fehlentscheidungen werden Partnerwahl oder Lebensentscheidungen angesehen, welche nicht mit den Vorstellungen der Gruppe zusammenpassen.
Konkret kann dies folgendermassen aussehen. Eine junge Frau hat einen Partner, der nicht den Vorstellungen der Familie entspricht. Sie wird von der Familie psychischer und zum Teil auch physischer Gewalt ausgesetzt, damit sie sich wieder so verhält, wie die Familie es will. Dieses Beispiel ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern passiert hier und heute, zum Teil vor unserer Haustür.
Sela Esslinger arbeitet beim Verein «Sabatina Schweiz», der sich der Hilfe von solchen Opfern von Ehrgewalt verschrieben hat.