Von Reto Nägelin
Ich stehe gerade im Migros-Restaurant und warte in der Schlange, bis ich endlich drankomme. Vor mir steht eine alte Frau. Bei ihr geht alles langsamer. Viel langsamer. Unglaublich langsam!
Ich werde unruhig, ungeduldig, gestresst. «Mach mal! Das kann doch nicht sein!» Und ich ärgere mich über mich selbst und schäme mich auch ein bisschen. So will ich nicht sein.
Natürlich kann die alte Frau nicht schnell sein. Sie bewegt sich in dem Tempo, das für sie noch machbar und auch gut ist. Und sie verhält sich ja nicht absichtlich langsam.
Vielleicht wünscht sie sich, dass ich und andere nicht so auf sie hinabschauen. Schliesslich werde ich auch älter. Vieles kann ich auch nicht mehr ganz so wie früher.
Aber da steckt noch viel mehr Wahrheit drin. Wieso kommen denn diese Emotionen überhaupt hoch? Was geht eigentlich ab bei mir?
Die alte Frau ist mir in diesem Moment zur Lehrerin geworden. Ich will, dass mein Herz derart zur Ruhe kommt, dass ich beim nächsten Mal in der Schlange ein freundliches Lächeln auf meinem Gesicht habe. Und ein Gefühl von Dankbarkeit in meinem Herz.