Von Cornelia Carmichel
Mein Zugang zu Gott findet sich in der Deutung von (gegangenen) Lebenswegen. Denn Gott lässt kein Bildnis von sich zu. Jedes Bild gilt es loszulassen, um Gott im Nächsten, im Naheliegenden, im Er- und Gelebten immer wieder neu zu entdecken.
Ein Beispiel ist der Lebensweg von Maria. Als junge Frau wird sie unter besonderen Umständen schwanger, vermutlich nicht so, wie sie sich das in ihren Träumen einmal ausgemalt hatte. Von Anfang an ist ihr Kind für viele bestimmt, mit einer besonderen Aufgabe verbunden. Maria singt überschwänglich von Gottes Zuwendung. Sieht sich angesehen. Sie spürt die Kraft in sich wachsen und geht ihren Weg mit ihrem Mann Josef weiter, der sie – trotz solcher Gedanken – nicht verstösst.
Die Geburt steht unter einem besonderen Stern. Maria erfährt in der Geburtsnacht so einiges durch die Hirtinnen und Sterndeuter im Stall, das sie in ihrem Herzen bewegt. Was da so erwartungsvoll anklingt, ist kein einfach zu gehender Weg. Ob sie in ihrem Leben dann alles so freudig getragen hat, wie sie es zu Beginn gesungen hat? Zum Bei-spiel dann, als sie ihren zwölfjährigen Sohn gesucht und ihn erst einige Tage später im Tempel aufgefunden hat. Der dann kaum Verständnis zeigte für ihre Sorge, sondern eher vorwurfsvoll anmahnte, wo er denn sonst sein sollte. Oder als er sie als Erwachsener scharf zurechtgewiesen hatte, als sie ihn in Kana bat, die Hochzeit zu retten. Um kurz darauf dann doch Wasser in Wein zu verwandeln! Wie mag es sie getroffen haben, als er ihr deutlich machte, dass seine Familie nicht die leibliche Familie sei. Dass er sich von ihnen abwandte und einen anderen Weg zu gehen gedachte.
Immer wieder musste Maria ihren Sohn Jesus loslassen. So manches Mal schien es keine einfache Mutter-Sohn-Beziehung zu sein. Und doch ging sie seinen Weg mit. Bis zu seinem bitteren Ende. Was muss sie ausgehalten haben unter dem Kreuz, als sie ihr Kind qualvoll sterben sah?
Wie hält man einen solchen Schmerz aus? Wie konnte sie weiterleben nach diesem Karfreitag? Wie konnte sie nicht an Gott verzweifeln, wenn doch ihr Sohn die Gottverlassenheit hinausschrie, bevor er verschied? Wie konnte sie aufmerksam bleiben für das Leben?
Denn sie war dabei, als man von Jesu Auferstehung erzählte. Und sie war dabei, als die Jüngerinnen und Jünger das erste Pfingstfest feierten. Was bewegte sie in ihrem Herzen?
Durfte sie zu ihren Lebzeiten erfahren, was Mose damals am brennenden, sich aber nicht verzehrenden Dornbusch als Antwort von Gott auf die Frage «Wie ist dein Name?» erhalten hatte: «Ich werde sein, die ich sein werde!»
Zuverlässig, unverfügbar, ausschliesslich und unbegrenzt.
Zur Person
Cornelia Camichel Bromeis, Evang.-ref. Pfarrerin an der Kirche St. Peter in Zürich. 51 Jahre, verheiratet und Mutter von drei jungen Erwachsenen.
Serie «Gott ist …»
Wie oder wer ist Gott eigentlich? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon lange. In der Bibel werden unterschiedliche Bilder gebraucht, um Gott zu beschreiben. In einer Serie teilen Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Denominationen ihre Vorstellungen, wie Gott ist.