Fasziniert es dich, wenn sich jemand stellvertretend für andere einsetzt?
Fasziniert ist vielleicht nicht das erste Wort, aber ja, ich hätte gesagt, es beeindruckt und berührt mich.
Warum?
Es ist ein schöner Ausdruck eines menschlichen Miteinanders. Stellvertretend kann ja beispielsweise heissen, für jemanden einzustehen. Ich sehe das gerade im medizinischen Kontext: Ich war kürzlich mit dabei, als jemand bei einer ärztlichen Konsultation nicht klarmachen konnte, wo das Problem liegt. Der Arzt schaute viel besser hin, als ich stellvertretend sagen konnte, was ich beobachte. Oder: Wenn zum Beispiel jemand bei der Arbeit kommt und sagt: «Kann ich das für dich übernehmen?» Es ist manchmal erstaunlich, wie ganz kleine Dinge so viel ausmachen können. Das kann wieder Luft geben. Und ich fühle mich sehr wahrgenommen und wertgeschätzt. Darum sage ich: Es berührt mich.
Für wen «opferst» du dich?
Wenn man sagt, man opfere sich, hat das einen negativen Touch. Aber natürlich kenne ich das als Mutter, wie alle Eltern. Gerade wenn Kinder kleiner sind. Häufig stehen dann nicht meine Bedürfnisse, sondern die der Kinder zuvorderst. Ich denke, es ist aber gleichzeitig wichtig, meine Bedürfnisse nicht völlig zu ignorieren. Dann funktioniere ich nicht mehr und das nützt der Familie nichts. Aber es fliessen natürlich sehr viele Ressourcen, Energie, Gedanken, Herz, Gefühle in meine Kinder. Mir ist ihre psychische Gesundheit, ihr Wohlergehen wichtig. Und zweitens beim Job, den ich nicht nur als Arbeit, sondern als Vision sehe. Ein grosses Wort, aber im Moment meine Berufung, dass viele Menschen von der Liebe von Gott erfahren – das ist für mich ein bewusster Entscheid, dass ich mich mit Herzblut in die Mitarbeitenden, ins Team, in die Arbeit investiere.
Ist das Kreuz und Opfer Jesu für dich Stolperstein oder Grund zur Hoffnung und Freude?
Ich finde es wahnsinnig entlastend, zu wissen, dass ich nicht allein «kücheln» muss. Ich bin vom Typ her schon ein Leistungsmensch. Ich weiss, dass ich Energie habe, viel zustande bringe, aber ich neige dazu, alles selber zu machen. Mein Glauben hilft mir stark! Ich werde nie im Leben alles richtig machen können nach dem Massstab Gottes. Ich bin einfach ein Mensch. Ich lebe aus einer Beziehung mit Jesus. Gleichzeitig bin ich ganz fest auf Gnade angewiesen. In dem Sinne ist das ein grosser Grund für Hoffnung und Freude. Und trotzdem ist es ein Stolperstein, weil es mir natürlich widerspricht. Und beim Kreuz geht es am Schluss ja um Vergebung. Ich gehöre zu denen, die es am schwierigsten finden, sich selbst zu vergeben. Und da hilft es schon sehr, dass Gott mir vergibt. Dann könnte ich es vielleicht selbst auch tun.
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